Kommentar

Alkoholverbot in Berliner Parks: Wie viel Freiheit verträgt die Stadt?

Für viele Jugendliche und Touristen ist Berlin eine Stadt des Suffs – Saufen gilt durchaus als Berliner Spezialität. Aber sollen Parks deshalb zu spaßfreien Verbotszonen werden?

Partymeile oder Erholungsort? Jugendliche bei einer Party im Park.
Partymeile oder Erholungsort? Jugendliche bei einer Party im Park.imago/Stefan Balzerek

Berlin-Berlin sieht sich gern als tolle freie Stadt, als Spielwiese der Ausgelassenheit, der Toleranz, des Feierns. Dazu gehört nicht nur die legendäre Clubkultur – lange Zeit ein Markenzeichen und Touristenmagnet –, sondern auch die Berliner Freiheit, sich in aller Öffentlichkeit dem Alkoholgenuss hinzugeben.

Saufen ist durchaus eine Berliner Spezialität. Es gibt auch alkoholische Getränke, die das Wort Berlin im Namen tragen: Berliner Weiße oder Berliner Luft. Und getrunken wird nicht nur im Biergarten. Die Hobbytrinker sitzen auf jeder Parkbank, und illegale Großpartys mit DJ werden längst nicht mehr nur in der Hasenheide gefeiert, sondern auch in kleinen Parks im Kiez.

Nun soll die große Freiheit enden. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat eine Idee: Die Parks sollen zu alkoholfreien Zonen erklären werden. Debattiert wird über nächtliche Schließzeiten und über Zäune um die Parks. Die Befürworter sehen die Verbote als letztes Mittel gegen illegale Partys und Massenschlägereien betrunkener Männer, gegen Gewalt, Müll und Lärm in den Parks.

Vorwurf der autoritären Härte und der Spaß-Feindlichkeit

Der Aufschrei ist groß: von autoritärer Härte ist die Rede, von Law-and-Order, Verbotsfetischismus und Willkür – ausgerechnet von Rot-Grün-Rot. All das zeuge von Spaßfeindlichkeit und einer Ablehnung von Touristen.

Auch in Berlin gab es schon mal ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. Ab 1999 drohten zehn Euro Strafe. Doch das Verbot wurde 2006 wieder abgeschafft. In anderen Ländern ist nach wie vor Härte angesagt: In den USA ist öffentliches Saufen in weiten Teilen des Landes untersagt, im Zentrum der Touristenstadt Prag darf nur noch in Gaststätten gebechert werden und selbst Mallorca geht gegen die Alkoholexzesse der Touristen vor.

Gegen Verbote gibt es gewichtige Gegenargumente: Erstens sind Verbote fast immer Mist, vor allem, wenn sie Dinge betreffen, die Spaß machen. Zweitens wird den Befürwortern eine schnöselige Denkweise vorgeworfen, die typisch ist für wohlhabendere Schichten, weil sich die Schnösel wieder mal über den Pöbel erheben.

Drittens sind die Verbote diskriminierend. Sie würden nicht nur feierwütige Touristen und gedankenlose Jugendliche treffen, sondern auch Leute, für die der Park nun mal die einzige Ersatzkneipe ist. Ein Ort, an den sie Essen und Bier mitbringen, weil sie es sich nicht leisten können, Alkohol nur noch teuer im Restaurant zu trinken. Und viele Obdachlose trinken nicht nur im Park, sondern leben auch dort – aus Mangel an Alternativen.

Das Problem ist nicht das Bier, sondern der Exzess

Das Problem ist nicht das friedliche Bier auf der Parkbank, egal von wem. Das Problem ist der für Berlin typische Exzess. Dass bei den illegalen Partys in der Hasenheide gleich 5000 Leute anrücken und Zehntausende Bierflaschen zurücklassen. Die Anwohner ärgern sich vor allem deshalb, weil das Partyvolk nicht aus der Nachbarschaft kommt, sondern nur nachts zum Feiern anreist und am nächsten Tag gar nicht sieht, dass der Park wie ein Schlachtfeld aussieht.

Feiern zum Nachteil anderer. Bei solchem Egoismus ist der Abwehrreflex der Anwohner verständlich. Auch an der Admiralbrücke sitzen abends nicht die Anwohner mit einem Sundowner in der Hand, sondern Touristen, denen der Wunsch der Einheimischen nach etwas Ruhe ziemlich schnurz ist.

Bier getrunken wurde in Berlin auch früher schon in Parks, aber der Suff wurde nicht so zelebriert wie heute, wenn sich nach Schulschluss sechs Schüler mit zwei Kästen Sternburg unter die Bäume am Helmholtzplatz setzen und ihren Schultag ausklingen lassen. Und auch die Reiseführer aller Welt scheinen den Touristen geradezu einzubläuen, dass sie beim Flanieren durch das coole Berlin unbedingt eine Bierflasche in der Hand halten müssen, sonst sind sie uncool.

Die Debatte ist eröffnet

Egal, wie die Parkdebatte endet: Sie ist richtig, weil endlich über ein lebensnahes Problem gestritten wird. Und natürlich wird auch Iris Spranger die große Freiheit in Berlin nicht wirklich einschränken können. Sie hätte gar nicht genügend Uniformierte, um das Verbot wirksam zu kontrollieren. Aber sie könnten öfter gegen Großpartys vorgehen. Und derweil debattiert die Stadtgesellschaft, wie viel Ausgelassenheit und Feierlaune sie vor ihrer Haustür gut findet, wie viel Lärm sie nachts im nahen Park dulden will und wie viel Müll am nächsten Morgen auf der Wiese.