Vom Party-Ort zum neuen Stadtquartier: Das rund fünf Hektar große RAW-Gelände in Friedrichshain-Kreuzberg erhält ein neues Gesicht. Neben den denkmalgeschützten Bauten des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) an der Warschauer- und Revaler Straße sollen ein rund 100 Meter hoher Büroturm sowie weitere flachere Neubauten mit viel Grün entstehen.
Das sieht der überarbeitete Entwurf des Architekturbüros Holzer Kobler (Zürich/Berlin) und der Landschaftsarchitekten des Atelier Loidl (Berlin) vor, der jetzt präsentiert wurde. Die Architekten hatten sich zuvor in einem Werkstattverfahren für den Masterplan des Areals gegen drei andere Mitbewerber durchgesetzt.

Viel Freifläche auf dem RAW-Gelände
Die Errichtung des Turms erlaube es, die vom Investor, der Göttinger Kurth Gruppe, gewünschte Baumasse auf dem Areal unterzubringen, gleichzeitig aber viele Freiflächen und eine eher kleinteilige Nutzung zu erhalten, sagte Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Das geplante Hochhaus habe eine Form, die sich an die Figur des Narva-Turms auf der gegenüberliegenden Seite der Bahn anlehne, und bilde zugleich ein „zurückhaltendes Gegenüber“ zum Edge East Side Tower, der an der Warschauer Brücke entsteht.
Die Planung des Quartiers sei so angelegt, dass sie eine vielfältige Gestaltung ermögliche, so der Baustadtrat. Neben Büros sollen Flächen für Kreative und eine Markthalle entstehen. Fest stehe zudem, dass das soziokulturelle Zentrum erhalten bleibt, das von Künstlern, Kulturvereinen, alternativen Gastronomiebetrieben und Sportlern genutzt wird. Bekannt ist das Zentrum unter dem Namen soziokulturelles L – in Anlehnung an die L-förmig angeordneten Häuser.
Nur die Betriebskosten werden fällig auf dem RAW-Areal
Das Besondere an dem Konzept: Die Flächen im soziokulturellen L sollen für 30 Jahre zum Nulltarif genutzt werden, sagte Schmidt. Der Investor verlange keine Nettokaltmiete. Bezahlt werden müssten nur die Betriebskosten.
Querfinanziert werden soll dies durch die Mietfläche, die in den Neubauten auf dem RAW-Areal entsteht. Geplant sei, dass das soziokulturelle L in einem Generalmietvertrag an einen Träger abgegeben wird. „Das ist ein Modell, dass Sie so, denke ich, in Berlin nicht noch mal finden“, sagte Baustadtrat Schmidt. Etwa zehn Prozent der Baumasse liege „im soziokulturellen Schutzgebiet“. Die Zusagen des Investors sollen in einem städtebaulichen Vertrag mit dem Bezirk festgehalten werden.
Die Berliner Clubkultur wird hier nicht plattgemacht
Das Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks ist eines der wenigen Areale in der Innenstadt, die noch nicht neu gestaltet wurden. Die Sorge, dass das Quartier seinen besonderen Reiz verlieren könnte, ist deswegen groß.
Lauritz Kurth, Mitinhaber der Kurth Gruppe, sagte, dass mit 28.000 Quadratmetern Freifläche der größte Teil des 50.000 Quadratmeter großen Areals unbebaut bleibe. Die Gebäude, in denen sich zurzeit die Konzerthalle Astra, der Club Suicide und das Kunst- und Kulturhaus Urban Spree befinden, müssten jedoch weichen. Die drei Einrichtungen bräuchten deswegen neue Flächen. Die Kurth Gruppe sei mit ihnen im Gespräch.
Baustadtrat Schmidt lobte dies und sagte, die Planung für das Quartier gehöre zu den wenigen, bei denen „Clubkultur nicht plattgemacht, sondern in den Neubau integriert“ werde.
Im Soziokulturellen L bleiben nach Schmidts Angaben die Clubs Cassiopeia, Sommergarten, Bar zum schmutzigen Hobby und das Crack Bellmer erhalten. Während das RAW-Gelände bisher vor allem nachts Berliner und Besucher der Stadt anlockte, soll es künftig „auch tagsüber für alle Menschen ein anziehender Ort sein“, sagte Schmidt. Es werde keine „Zwischennutzung in einer Ruinenlandschaft“ mehr sein, aber auch „keine Durchgentrifizierung“ geben, wie an anderen Orten der Stadt, so Schmidt.
Nachdem der Masterplan feststeht, geht nun die formelle Planung für das Areal weiter. Baustadtrat Schmidt kündigte an, dass in einem nächsten Schritt eine frühzeitige Bürgerbeteiligung durch das Bezirksamt vorgesehen ist. „Da können alle Leute ihre Eingaben machen“, so der Stadtrat.
Die Kurth Gruppe stellt sich darauf ein, dass die Arbeiten am Bebauungsplan so weit vorankommen, dass sie im Frühjahr 2024 mit den Bauarbeiten beginnen kann. Das neue Quartier soll dann unter laufendem Betrieb entstehen. Er rechne mit einer Bauzeit von zehn bis 15 Jahren, so Lauritz Kurth. Zur Höhe des Investitionsvolumens machte Kurth keine Angaben.




