Die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen haben ihre Neubauziele klar verfehlt, doch die Mieten in ihren Wohnungen liegen weiterhin unter den Preisen auf dem Berliner Immobilienmarkt. Das geht aus dem am Dienstag im Senat vorgelegten Jahresbericht 2021 zur Kooperationsvereinbarung der Landesregierung mit den sechs städtischen Wohnungsunternehmen hervor.
In der Kooperationsvereinbarung aus dem Jahr 2017 hatten sich Degewo und Co mit dem Senat auf die Begrenzung von Mietsteigerungen und auf bestimmte Zielzahlen im Neubau verständigt. Außerdem sagten die Unternehmen zu, einen Anteil von Wohnungen an Haushalte mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vergeben. Jedes Jahr wird mit einem Bericht bilanziert, inwieweit die Ziele erreicht wurden.
Mit rund 340.000 Wohnungen besitzen die sechs landeseigenen Unternehmen inzwischen etwa 20 Prozent der rund 1,7 Millionen Berliner Mietwohnungen (Stand Ende 2021). Die Miete in den Wohnungen belief sich im vergangenen Jahr auf durchschnittlich 6,29 Euro je Quadratmeter Wohnfläche kalt.
Die Mieten lagen damit laut dem Bericht um 8,9 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete, die nach dem Berliner Mietspiegel ermittelt wurde. Im Vergleich zum Jahr 2020 haben sich die Bestandsmieten über alle sechs Unternehmen betrachtet nicht verändert, was auf den Mietendeckel und die danach in Kraft gesetzten Regelungen zurückzuführen ist. Diese sehen erst von 2022 an eine schrittweise Erhöhung der Mieten bei den städtischen Vermietern vor.
85 Härtefallanträge gestellt, 66 wurden bewilligt
Während die Bestandsmieten bei den kommunalen Vermietern im vergangenen Jahr stabil blieben, sind die Mieten beim Abschluss neuer Verträge um 3,6 Prozent gestiegen – von sieben Euro auf 7,25 Euro je Quadratmeter. Grund für die steigenden Mieten beim Abschluss neuer Verträge sind vor allem die höheren Mieten im Neubau. Bei 2055 Vermietungen von Neubauwohnungen verlangten die landeseigenen Unternehmen im vergangenen Jahr mehr als zehn Euro je Quadratmeter.
Trotz der steigenden Neuvermietungsmieten lagen die Forderungen der städtischen Unternehmen im vergangenen Jahr laut der Bilanz unter den Mietforderungen für freie Wohnungen auf dem Immobilienmarkt, die sich laut Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) 2021 auf 10,55 Euro je Quadratmeter beliefen.
Einen Antrag auf eine Mietabsenkung oder die Kappung einer Mieterhöhung haben 85 Haushalte im vergangenen Jahr gestellt. 66 der Härtefallanträge wurden bewilligt. Die Mietsenkung oder Kappung einer Mieterhöhung können Mieter bei den landeseigenen Unternehmen beantragen, wenn sie mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete aufbringen müssen.
Fristlose Kündigungen wegen Mietrückstands
Durch einen Wohnungswechsel, also den Einzug in eine freie Wohnung innerhalb des Unternehmens, konnten im Jahr 2021 insgesamt 965 neue Mietverträge bei den kommunalen Unternehmen abgeschlossen werden. 240 neue Mietverträge kamen per Wohnungstausch zustande.
In 2682 Fällen kündigten die sechs landeseigenen Unternehmen Mietern im vergangenen Jahr fristlos wegen Mietrückstands, das waren 554 Kündigungen mehr als im Jahr zuvor. Nach einer Beratung der Mieter konnten die Kündigungen in 1440 Fällen zurückgenommen werden. In 378 Fällen wurden Wohnungen geräumt, 98 davon waren laut dem Bericht bewohnt, 280 bereits unbewohnt.
Im Neubau bleiben die sechs landeseigenen Unternehmen hinter den Erwartungen zurück. Im vergangenen Jahr haben Degewo und Co insgesamt lediglich 3307 Wohnungen fertiggestellt. Das sind 42 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Selbst die Planzahl für 2021 von 4176 Wohnungen wird dem Bericht zufolge verfehlt. Lediglich die Gewobag konnte die Zahl der Fertigstellungen gegenüber dem Vorjahr erhöhen und die genannte Planzahl um 293 Wohnungen übertreffen.
Rund 10.000 Wohnungen zu wenig gebaut
Noch deutlicher wird das Verfehlen der Neubauziele, wenn man den Zeitraum von 2017 bis 2021 betrachtet. Geplant war, dass in den fünf Jahren insgesamt 30.000 Wohnungen von den landeseigenen Unternehmen gebaut werden. Tatsächlich fertiggestellt wurden aber laut Bericht nur 19.292 Wohnungen, ohne Wohneinheiten in modularen Unterkünften für Geflüchtete und Studentenapartments. 44,8 Prozent der Wohnungen, die von 2016 bis 2021 errichtet wurden, waren Sozialwohnungen. Die Gründe für das Verfehlen der Neubauziele sind laut Bericht „vielfältig“. Verwiesen wird unter anderem auf Artenschutz, fehlendes Personal und Bedenken der Bürger.
Erreicht wurden hingegen die Ziele bei der Wiedervermietung von Wohnungen an Haushalte, die Anspruch auf einen WBS haben. Insgesamt vermieteten die städtischen Gesellschaften 62,5 Prozent der freien Wohnungen an diesen Personenkreis. Bis April 2021 sollten 60 Prozent der frei werdenden Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften an Haushalte vermietet werden, die die Voraussetzungen zum Erhalt eines WBS erfüllen. Seit April 2021 liegt die Quote bei 63 Prozent der jährlich frei werdenden Wohnungen.
„Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften werden ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht“, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker lobt die landeseigenen Wohnungsunternehmen zwar ebenfalls als „Rückgrat der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin“, übt aber zugleich Kritik. Die Zahl der fristlosen Kündigungen sei alarmierend. Erfreulich sei, dass etwa die Hälfte der Kündigungen zurückgenommen wurde. Es sei richtig gewesen, dass der Mietendeckel auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei den landeseigenen Unternehmen weitgehend beibehalten wurde, so Schenker. Auch für die Zukunft seien ein Mietenstopp und eine Mietenbegrenzung auf 30 Prozent des Einkommens nötig.
Grünen-Abgeordnete: Neue Vereinbarung muss Mieten weiter dämpfen
Ähnlich äußert sich die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. „Die landeseigenen Wohnungsunternehmen sind zentral für die soziale Wohnraumversorgung breiter Schichten und sorgen mit ihren niedrigen Mieten für eine mietpreisdämpfende Wirkung für die ganze Stadt“, sagte sie. „All das muss sich auch in der neuen Kooperationsvereinbarung widerspiegeln, die Senat und landeseigene Wohnungsunternehmen bald verhandeln werden.“ Für den Neubau müsse der Senat neue Finanzierungswege finden. Hierzu gehöre zum Beispiel, Synergieeffekte unter den Gesellschaften zu nutzen.


