Viel wurde im Vorfeld der Wiederholungswahl in Berlin über die diversen Pannen bei der Berlin-Wahl 2021 geredet: Marathon, lange Schlangen vor den Wahllokalen, keine oder falsche Stimmzettel und ein Abstimmen weit über 18 Uhr hinaus. Auch die kleineren Pannen im Vorfeld der Wiederholungswahl wurden deutschlandweit belacht. Berlin kann einfach keine Wahlen organisieren. Ein weiteres Indiz für die Failed City.
Bei meiner Tätigkeit als Briefwahl-Helfer am Sonntag ergab sich mir diesmal jedoch ein etwas anderes Bild. Berlin kann Wahlen organisieren, aber Berlin kann nicht wählen. Von der Organisation der Wahlen her lief bei uns alles glatt. Die Verwaltung schien auf keinen Fall Fehler machen zu wollen und neigte deshalb dazu, überzukompensieren.
Das Resultat: Wir waren 12 Personen, um gut 200 Briefe zu zählen. Die Vielzahl der Wahlhelfenden war wohl kein Einzelfall. Jede der gut 90 Zählstellen in der Schule in Kreuzberg war überbesetzt und in der Mensa bildete sich bereits früh ein Stuhlkreis mit Reserve-Helfern. Man weiß ja schließlich nie. Es scheint so, als hätten die 240 Euro Erfrischungsgeld plus 25 Euro Kompensation für eine Online-Schulung Wirkung gezeigt.
Bei vielen scheiterte es am korrekten Ausfüllen des Wahlscheins
Zum Glück war mein Team im Aufenthaltsraum der Schule stationiert, sodass wir uns mit Tischkicker und Billard die Zeit zwischen den Vorbereitungen und dem Start der Auszählung um 18 Uhr vertreiben konnten. Viele hatten weniger Glück und schienen – wahrscheinlich die Bilder von der Chaos-Wahl 2021 noch im Hinterkopf – nicht auf so viel Leerlauf vorbereitet zu sein. Wer sich nicht für das Hertha-Spiel interessierte oder seinen Instagram-Feed durchgescrollt hatte, dem blieben oft nur die Handbücher der Wahl-Schulung, die überall herumlagen. Dann sind wir für die kommenden Wahlen jetzt auf jeden Fall gut gewappnet.
Als um kurz nach 18 Uhr der letzte Kurier mit Last-minute-Wahlbriefen kam und wir endlich mit dem Zählen loslegen durften, waren wir alle erleichtert. Aber schnell auch verblüfft. Nicht etwa wegen der vielen Grünen-Stimmen – das war in Friedrichshain-Kreuzberg erwartbar –, sondern wegen der vielen ungültigen Wahlbriefe. Am Ende hatten wir in meinem Wahllokal fast zehn Prozent ungültige Stimmen, weil die Wählerinnen und Wähler die einfachen Schritte nicht befolgen konnten. Bei vielen scheiterte es am korrekten Ausfüllen des Wahlscheins.
Die verschenkten Stimmen sind nicht zu unterschätzen
Der Wahlschein ist bei der Briefwahl essenziell und verifiziert die Gültigkeit der abgegebenen Stimme. Oft jedoch fehlte die Unterschrift des Wählers oder es wurde vergessen, den Schein zusammen mit dem blauen Stimmzettel-Umschlag in den roten Briefwahlumschlag zu legen. Die Stimmen sind damit automatisch disqualifiziert und werden nicht einmal angeguckt. Dazu kommen dann noch die zulässigen, aber falsch ausgefüllten Stimmzettel.
Vor allem bei einer so engen Wahl, bei der die SPD wohl wegen mickrigen 105 Stimmen vor den Grünen liegt, sind die verschenkten ungültigen Stimmen wohl nicht zu unterschätzen. Natürlich lässt sich argumentieren, dass alle Parteien von den ungültigen Stimmen betroffen sind, doch in Friedrichshain-Kreuzberg ist es zu erahnen, dass sie die Wahl noch einen Ticken spannender gemacht hätten.




