Hauptstadtregion

Berlin und Brandenburg wollen sich bei der Flüchtlingshilfe unterstützen

Franziska Giffey und Dietmar Woidke schätzen einander. Auf einer gemeinsamen Regierungssitzung in Frankfurt (Oder) ging es um eine engere Zusammenarbeit

Franziska Giffey und Dietmar Woidke auf dem Weg zur ersten gemeinsamen Regierungssitzung des neuen Berliner Senats mit der brandenburgischen Landesregierung in Frankfurt (Oder).
Franziska Giffey und Dietmar Woidke auf dem Weg zur ersten gemeinsamen Regierungssitzung des neuen Berliner Senats mit der brandenburgischen Landesregierung in Frankfurt (Oder).dpa/Patrick Pleul

Nur noch Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr, in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen sowie eine Fortführung des Testregimes in Schulen. Dieses Corona-Maßnahmenpaket hat die Berliner Landesregierung auf ihrer Sitzung an diesem Dienstag beschlossen. Sehr ähnlich lauten auch die Regeln, die sich Brandenburg zur selben Zeit gab. Damit reagieren beide Landesregierungen darauf, dass die bundesweiten Corona-Regeln am Donnerstag ablaufen.

Im Anschluss an die Senatssitzung stellte Berlins Senatsbildungsverwaltung klar, wie künftig an den Schulen getestet werden soll. Demnach sollen sich „alle Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte, weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des pädagogischen Personals und sonstige an der Schule tätige Personen bis auf Weiteres dreimal wöchentlich testen“. Nur mit negativem Ergebnis dürfe man in der Schule verbleiben.

Gleichzeitig entfällt die Maskenpflicht, wie es in einer Mitteilung heißt. Sehr zum Ärger von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse offenbar. „Ich rate den Schülerinnen und Schülern sowie dem Schulpersonal dringend, aus Infektionsgründen weiter eine Maske in der Schule zu tragen“, wird die SPD-Politikerin in einer hauseigenen Pressemitteilung zitiert. „Dafür gibt es gute Gründe, auch wenn dies nun eine freiwillige Entscheidung ist.“ Eine Maske zu tragen, diene dem Selbstschutz und dem Schutz anderer. „Klar ist aber auch, dass niemand wegen des Tragens und Nichtragens einer Maske Nachteile erfahren darf“, heißt es weiter.

Berlin und Brandenburg verabschiedeten fast gleichlautende Corona-Regeln

Die Corona-Beschlüsse haben die Berliner und Brandenburger Landesregierungen am Dienstagvormittag noch in getrennten Sitzungen unabhängig voneinander verabschiedet. Am Nachmittag stand dann eine gemeinsame Sitzung auf dem Programm – die erste seit Amtsantritt des neuen Berliner Senats am 21. Dezember vergangenen Jahres.

Zu diesem Anlass waren die Senatorinnen und Senatoren sowie die Ministerinnen und Minister aus Berlin beziehungsweise Potsdam am Dienstag nach Frankfurt (Oder) gereist. Gemeinsamer Tagungsort war das Kleist-Forum in der Innenstadt.

Die Voraussetzungen für eine für beide Seiten gewinnbringende Sitzung waren durchaus gegeben. Das Verhältnis zwischen Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) gilt als exzellent. Schließlich war es der Regierungschef aus Potsdam, der die in Brandenburg geborene damalige Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln für höhere Weihen empfahl. Auch dank Woidkes Fürsprache wurde Giffey im März 2018 völlig überraschend Bundesfamilienministerin.

Beide Regierungschefs wollen die oft stockenden Beziehungen voranbringen

Auch nach Giffeys Wechsel in die Berliner Landespolitik zwei Jahre später ist der Kontakt nicht abgerissen. So absolvierte sie ihren ersten Antrittsbesuch am 17. Januar bei ihm. Nun, zwei Tage vor Ablauf der prestigeträchtigen 100-Tage-Frist für den Start einer neuen Regierung, folgte das zweite offizielle Zusammentreffen.

Trotz der vielsagenden Adresse des Tagungsortes – Platz der Einheit 1 – ging es in den Gesprächen aber nicht etwa um einen neuen Anlauf zu einer Länderehe zwischen Berlin und Brandenburg. Zu weit entfernt sind Lebenswirklichkeiten und auch Mentalität.

Auf der Tagesordnung stand aber „der Ausbau der Hauptstadtregion zu einem bedeutenden Wirtschafts- und Technologiestandort“. Dabei handelt es sich eigentlich um eine Selbstverständlichkeit, die auch von den Wirtschaftsverbänden beider Länder stets vehement eingefordert wird. Die Realität sieht oft anders aus.

Vor allem in der Ansiedlungspolitik wird oft gegeneinander gearbeitet

Vor allem eine gemeinsame Verkehrspolitik gelingt noch zu selten. Leidtragende dabei sind oft Berlins an Brandenburg grenzende Außenbezirke, die seit Jahren jeden Tag unter gewaltigen Pendlerströmen ächzen.

Auch bei einer gemeinsamen Ansiedlungspolitik ist noch Luft nach oben. So konkurrierten beide Bundesländer um die Gigafactory von Tesla. Bis zum Schluss hofften die Berliner, dass der US-Elektroautobauer bei ihnen wenigstens ein Entwicklungszentrum bauen würde. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Brandenburger längst, dass Tesla nach Grünheide zieht, hielten dieses Wissen aber stets geheim, um die Ansiedlung nicht zu gefährden. Mittlerweile ist klar, dass Tesla in der Mark auch Batterien produzieren will. Von einer Investition in Berlin ist nicht die Rede. Die Stadt, so sieht es aus, geht bei dem Milliardendeal komplett leer aus.

Dennoch gehört eine engere Zusammenarbeit der beiden Nachbarländer seit Jahrzehnten in jede berlinisch-brandenburgische Sonntagsrede. Dazu passt auch, dass die Berliner diesmal Brandenburg bei der Bewerbung Frankfurts für das geplante Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit unterstützen wollen. Das Zentrum soll vom Bund in einer ostdeutschen Stadt aufgebaut werden.

In Berlin und Brandenburg kommen besonders viele ukrainische Flüchtlinge an

Doch wie so häufig platzte die Aktualität dazwischen: Der Krieg in der Ukraine und die Unterbringung Tausender Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet stellt beide Länder vor große Aufgaben. In der deutschen Hauptstadt sowie in Brandenburg mit seiner 250 Kilometer langen Grenze ins Hauptaufnahmeland Polen kommen besonders viele Ukrainer an.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey berichtete nach der Sitzung, dass der Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen auf beide Länder auch die gemeinsame Sitzung geprägt hätten. „Das zeigt einmal mehr, dass die anstehenden Herausforderungen der Metropolregion nur gemeinsam bewältigt werden.“

In einer gemeinsamen Erklärung hoben Giffey und Woidke vor allem „das große Engagement und die Solidarität unserer Bürgerinnen und Bürger bei der Aufnahme und Betreuung von Kriegsflüchtlingen“ hervor. Das sei beeindruckend und berührend, und dafür seien beide „sehr dankbar“. Damit aber Berlin und Brandenburg weiter helfen könnten, bräuchten sie „nicht nur logistische, sondern auch die finanzielle Unterstützung des Bundes“.

Und auch beim Thema der grenzüberschreitenden Mobilität gibt es zumindest Bewegung. So soll bekanntlich im Juni ein Bahngipfel Berlin–Brandenburg stattfinden. Ziel ist es, den Schieneninfrastrukturausbau in der Hauptstadtregion zu forcieren. Dafür sollen unter anderem zehn Bahnverbindungen ertüchtigt und digitalisiert werden, die teils beide Nachbarländer betreffen: Genannt werden die Potsdamer Stammbahn, der Berliner Innenring, die Hamburger und Lehrter Bahn, die Nordbahn, die Görlitzer Bahn, die Dresdener Bahn, die Anhalter Bahn, die Frankfurter Bahn und die Siemensbahn. Der Ausbau wird teils Jahrzehnte dauern.