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Aushilfe gesucht: Du beherrschst die Grundrechenarten?

Fachpersonal ist knapp. Da muss man sich für die Ausschreibung schon was einfallen lassen.

Das ist viel zu schwer: Die Aufgabe von einem Päckchen kann auch ein Erlebnis sein.
Das ist viel zu schwer: Die Aufgabe von einem Päckchen kann auch ein Erlebnis sein.dpa/Julian Stratenschulte

Neulich bei der Post: Ich möchte ein Paket aufgeben, das ins Ausland adressiert ist. In der Filiale werden zwei Kunden bedient, die nächsten warten vor dem Eingang. Dort hängt eine, nun ja, Stellenausschreibung. Die liest sich ganz lustig, offenbart aber vermutlich einen ernsteren Hintergrund.

Gesucht wird eine Aushilfe auf 450-Euro-Basis, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, muss trotz niedrigschwelliger Anforderungen wohl ziemlich schwierig sein: „Du bist nicht komplett verpeilt? Du beherrschst die Grundrechenarten? Du kannst Dich in deutscher Sprache verständigen? Du kannst die Uhr lesen? Bekommst nicht nach 5 Stunden Arbeit ein Burn-out-Syndrom?“

Drinnen stehen zwei Mitarbeiterinnen am Schalter: eine, die dort schon seit Ewigkeiten arbeitet, sehr gelassen und des Burn-outs unverdächtig, und Kandidatin B, die ich noch nie gesehen habe, sehr jung, optisch Typ Influencerin. Vielleicht, weil wir uns noch nicht kennen, wählt das Schicksal sie als meine Bearbeiterin.

Ich trete heran, grüße freundlich und reiche ihr, vorbei an der Corona-Schutzscheibe, das Paket, das gewisse Maßvorgaben einhalten muss und nicht schwerer als zwei Kilogramm sein darf. Müsste so passen, wenn die Küchenwaage einigermaßen verlässlich misst. Als sie das Paket in die Hände bekommt, ächzt die junge Frau und mault, sie sei nun wirklich nicht gut in Mathe, was ja schon mal der ausgehängten Stellenanforderung widerspricht: „DAS sind keine zwei Kilo!“

Das hat, nach meinem Dafürhalten, erst mal wenig mit Mathematik zu tun, was ich aber für mich behalte, schließlich möchte ich das online bereits bezahlte Paket loswerden. Ich gucke also nur treudoof, als verstünde ich nicht, was sie meint. „Das ist VIEL zu schwer!“, präzisiert sie, wiegt das Paket und nickt: „2100 Gramm!“ Die Feststellung entlarvt ihre Einschätzung zwar als Übertreibung, im Ergebnis behält sie trotzdem recht, das Paket überschreitet das Höchstgewicht.

„Und zu groß ist es auch“, schimpft sie weiter, während sie auf die Computertastatur einhackt. Sie trägt künstliche Fingernägel, was natürlich Geschmackssache ist und hier nur deshalb Erwähnung findet, weil die Nägel sichtlich das Treffen der richtigen Buchstabentasten erschweren.

Dann wird sie fündig und rattert die korrekten Höchstmaße für Breite, Höhe und Länge runter, bis ich resigniert die Schultern fallen lasse und entgegne, ich hätte nur auf die maximale Gesamtlänge aller Seiten geachtet. Sie stockt, guckt aufs Paket und sagt: „Ah, das geht ja ins Ausland, hab ich nicht gesehen.“ Leichter wird das Paket dadurch trotzdem nicht, also hievt sie es betont mühselig und augenrollend zurück über den Tresen.