Blick in die Archive und Depots

Psssst! Das sind die Geheimschätze unserer Museen

Unsere Museen haben viel mehr zu bieten als das, was ausgestellt ist. Exklusiv für die Berliner Zeitung zeigen sie verborgene Schätze. Heute Teil 1 von 2.

Diese Illustration von 1899 zeigt die Waisenbrücke und das Märkisches Museum, das heute Stadtmuseum heißt und viele Berliner Schätze beherbergt.<br><br>
Diese Illustration von 1899 zeigt die Waisenbrücke und das Märkisches Museum, das heute Stadtmuseum heißt und viele Berliner Schätze beherbergt.

imago

Berlin-Museumsarchive haben etwas faszinierendes: Dort lagern wertvolle Exponate, Kunst-Schätze, seltene Schenkungen. Nicht alles kann in Ausstellungen präsentiert werden, was schade ist. Darum hat die Berliner Zeitung hat bei mehr als einem Dutzend Museen angefragt: Was sind Ihre Geheimschätze? Welche Exponate hat Berlin noch nicht gesehen? Nicht alle haben geantwortet, nicht allen war es möglich. Das Schloss Charlottenburg zum Beispiel hat gar keine versteckten Schätze, wie Pressesprecher Frank Kallensee schreibt: „Die Exponate, die es in Charlottenburg gibt, sind auch zu sehen - jedenfalls in pandemiefreien Zeiten.“

Lesen und schauen Sie mal, was die anderen großen Berliner Museen für Sie herausgesucht haben und was es dazu zu erzählen gibt. Heute berichten die Archivare des Märkischen Museums, des Jüdischen Museums, des DDR Museums sowie des Deutschen Historischen Museums. Im zweiten Teil lesen Sie alles über die Geheimschätze des Buchstabenmuseums, des Naturkundemuseums, des Musikinstrumenten-Museums sowie der Topographie des Terrors.

Stadtmuseum/Märkisches Museum

1928 kamen neun unscheinbare kleine Holzkästen in das Märkische Museum – Vorläufer des heutigen Stadtmuseums Berlin. Darin enthalten waren alle Bilder, die der inzwischen erkrankte Kunstschriftsteller und Verlagsbuchhändler Oscar Bolle (1825-1929) für seine Projektionsabende „Märkische Vorträge“ erstellt hatte. Sie wurden vom Märkischen Museum mit finanzieller Hilfe des Magistrats gekauft, weil sie schon damals als ein Schatz angesehen wurden, der für die Stadt Berlin gerettet und erhalten werden muss.

Die Fotoschachteln der Sammlung Oskar Bolle enthalten Dias der Mark Brandenburg aus dem frühen 20. Jahrhundert.
Die Fotoschachteln der Sammlung Oskar Bolle enthalten Dias der Mark Brandenburg aus dem frühen 20. Jahrhundert.Stiftung Stadtmuseum Berlin/Dorin Alexandru Ionita

Die traumhaft schönen Aufnahmen führen uns in die Kulturlandschaft der Mark Brandenburg vor 100 Jahren. Sie stammen also aus einer Zeit, in der die Farbfotografie noch nicht erfunden war und die Farbe mühsam mit feinem Pinsel auf die schwarz-weißen Glas-Dias aufgetragen werden musste. Oscar Bolle nannte seine Projektionsabende deshalb auch „Malerische Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Bolle brachte in diesen Vorträgen seit 1905 in großen Sälen seinem Berliner Publikum die Schönheiten und die Geschichte der Mark Brandenburg näher – ganz in der Tradition Theodor Fontanes und seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg.

Die handkolorierten Glas-Bilder sind seit dem Ankauf 1928 noch nie ausgestellt oder publiziert worden. Sie sind also heute eine absolute Wiederentdeckung, ein (noch) ungehobener Schatz. Bolle selbst hatte die Dias nur für Vorträge genutzt. Im Museum konnten sie zunächst nicht gezeigt werden, denn es gab noch keine Digitalisierung und keine Technik, mit der man sie hätte dauerhaft als Projektion in eine Ausstellung einbinden können.

Sieht aus wie ein Foto, ist aber ein gezeichnetes Dia: „Die malerische Spree“ von Oskar Bolle.
Sieht aus wie ein Foto, ist aber ein gezeichnetes Dia: „Die malerische Spree“ von Oskar Bolle.Stiftung Stadtmuseum Berlin/Repro: Dorin Alexandru Ionita

Durch Krieg, Auslagerung und undichte Dächer am Märkischen Museum der Nachkriegszeit haben die Bilder Schaden genommen und gerieten zunehmend in Vergessenheit. Nun müssen sie erst restauriert werden, bevor sie wieder wirksam werden und in ganzer Schönheit erstrahlen können. 2017 wurden Oscar Bolles Vortrags-Manuskripte transkribiert und seit 2020 werden die ersten 300 der heute noch erhaltenen 900 Dias mit finanzieller Unterstützung der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung restauriert und digitalisiert. Einer der vielen Schätze des Stadtmuseums Berlin wird damit nach fast 100 Jahren Dornröschenschlaf wieder sichtbar.

Ines Hahn, Kuratorin für Fotografie des Stadtmuseums Berlin

Jüdisches Museum

Im Mai diesen Jahres schenkte die fast 100-jährige, im kanadischen Vancouver lebende Cornelia Hahn Oberlander dem Jüdischen Museum Berlin drei Trachtenblusen. Sie selbst und ihre jüngere Schwester trugen die Blusen als Kinder in Berlin und sind damit auf einem Gemälde abgebildet, das sich seit 1996 in der Sammlung des Museums befindet. Es stammt von der Berliner Malerin Sabine Lepsius, die für ihre Kinderporträts bekannt war. 1932 erhielt sie den Auftrag für ein Doppelporträt der beiden Töchter von Beate und Franz Hahn - das Gemälde entstand im Haus der Familie in Steinstücken, Berlin-Zehlendorf.

Porträt der Schwestern Cornelia und Charlotte Hahn mit ihren Blusen.
Porträt der Schwestern Cornelia und Charlotte Hahn mit ihren Blusen.Jüdisches Museum Berlin/Jens Ziehe

Die handbestickten Blusen hatte Franz Hahn seinen Töchtern Cornelia und Charlotte kurz zuvor von einer Dienstreise aus Rumänien mitgebracht. Das Gemälde und die Blusen wurden von der Familie Hahn bei ihrer Flucht aus Deutschland 1939 mitgenommen. Die Stifterin und ihre Familie sind froh darüber, dass sie nun im Museum gut aufgehoben und am richtigen Platz sind. Und für uns ist es natürlich ein phantastischer Glücksfall, dass diese historischen Objekte hier in Berlin nach Jahrzehnten wieder zusammenkommen.

Bislang wurde diese Mädchen-Trachtenbluse der Familie Hahn noch nie gezeigt.
Bislang wurde diese Mädchen-Trachtenbluse der Familie Hahn noch nie gezeigt.Jüdisches Museum Berlin/Roman März

Noch ist keine der Blusen ausgestellt, auch das Gemälde, das lange in unserer Dauerausstellung zu sehen war, befindet sich derzeit im Depot. Bald jedoch werden sie gemeinsam digital  auf unserer Webseite zu finden sein, mit vertiefenden Informationen zu ihrer Geschichte.

Leonore Maier, Sammlungskuratorin, Jüdisches Museum Berlin

DDR Museum

Ein erster Schritt zur Demokratie - Der Runde Tisch: Am 7. Dezember 1989 passiert etwas bis dahin in der DDR völlig Unvorstellbares: Vertreter der SED-Regierung, der Blockparteien und Oppositionelle treffen erstmals auf Einladung der Evangelischen Kirchen am „Zentralen Runden Tisch“ in Berlin zusammen, um den Übergang zu einer neuen Staatsform in der DDR zu erarbeiten. Bis zum 12. März 1990 wurde insgesamt 16 Mal getagt. Verabschiedet wurden zahlreiche Neuerungen sowie Beschlüsse und ein neuer Entwurf der Verfassung wurde entwickelt. Neben dem Ende der SED-Herrschaft standen Themen wie freie Volkskammerwahlen, die Frauen- oder Gesundheitspolitik und die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit zur Diskussion. Nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Bezirken der DDR bildeten sich „Runde Tische“.

Seit 2015 beherbergt das DDR Museum ein Ensemble des „Zentralen Runden Tisches“, der in Wirklichkeit eckig war, aus dem Schloss Schönhausen in Pankow. Die mit Samt bezogenen Stühle, die 1989 produziert wurden, sowie der Tisch befinden sich dank unserer Restauratoren bis heute in einem sehr guten Zustand. Die Aufgabe des DDR Museums ist es, die Objekte weiterhin vor dem Zerfall zu retten, um ein Stück Zeitgeschichte für die Nachwelt zu bewahren.

Diese historische Sitzgruppe wird "Runder Tisch" genannt und erzählt ein wichtiges Kapitel der DDR.
Diese historische Sitzgruppe wird "Runder Tisch" genannt und erzählt ein wichtiges Kapitel der DDR.DDR Museum

Die Möbel sind spannend für unser Museum, da sie im Hinblick auf die Ästhetik nicht nur typisch für ihre Zeit, sondern auch mit einer besonderen Aussagekraft verbunden sind, denn der öffentliche Dialog zwischen SED und Opposition war eine absolute Sensation. Sie stehen daher für einen ersten Versuch der Demokratisierung der DDR und erinnern an die damaligen Gedanken und Wertvorstellungen. Diese Einblicke in die Historie möchten wir für kommende Generationen bewahren.

Damit die Holzstühle und der Tisch weiterhin in einem guten Zustand bleiben, werden sie unter konservatorischen Bedingungen und einer möglichst konstanten Temperatur im Depot des DDR Museums geschützt aufbewahrt, da eine hohe Luftfeuchte und hohe Temperaturen Abbauprozesse fördern und Objekte irreversibel schädigen.

Sabrina Heckert, wissenschaftliche Mitarbeiterin Sammlung, DDR Museum

Deutsches Historisches Museum (DHM)

Große Werke auf kleinen Bühnen: Im vorvorigen Jahrhundert waren Papiertheater ein beliebtes Unterhaltungsmedium. Marktführer und zugleich ein Synonym für Kindertheater war vor allem der Verlag von Jakob Ferdinand Schreiber in Esslingen bei Stuttgart. Das Deutsche Historische Museum hat seit 1989 einen großen Bestand an Papiertheaterdekorationen, -figuren- und Textbüchern aus der Zeit um 1900 in seiner Alltagskultur-Sammlung. Von diesen werden einzelne Stücke immer wieder in Ausstellungen gezeigt werden, so auch ab 6. April 2022 in der Ausstellung „Richard Wagner und das deutsche Gefühl“.

Die Papiertheaterdekoration „Gebirgsgegend“ kam bei verschiedenen Stücken zum Einsatz.
Die Papiertheaterdekoration „Gebirgsgegend“ kam bei verschiedenen Stücken zum Einsatz.DHM, Sebastian Ahlers

Auf dem Spielplan standen vor allem Märchen. Aber auch „ernster Stoff“ wie Dramen und Opern wurden für die kleine Bühne adaptiert: Aus „Tannhäuser“ etwa wurde in der Bearbeitung für das Papier- und Kindertheater ein Zaubermärchen in fünf Akten. Die Aufführungen dauerten rund eine Dreiviertelstunde, für eine Wagner-Oper sensationell schnell, und eine gute Zeitspanne, um Kinder (und Erwachsene) auf den Stühlen zu halten. Empfohlen wurde außerdem, die Stücke möglichst zu zweit aufzuführen, von denen einer die Rollen des Stückes liest und der andere die handelnden Figuren auf- und abtreten lässt und die Ton- und Lichtregie übernimmt.

Für special effects wie Blitz und Donner oder bengalisches Feuer gab es in jedem Textheft praktische Hinweise. Die von J. F. Schreiber und anderen Verlagen vertriebenen Papierkulissen und Dekorationen waren übrigens oftmals für mehrere Stücke einsetzbar. Die hier gezeigte Kulissendekoration „Gebirgsgegend“ konnte für „Tannhäuser“, aber auch bei „Wilhelm Tell“ oder „Im weißen Rößl“ verwendet werden. Das war nicht nur in der Herstellung und im Gebrauch gleichermaßen praktikabel und kostensparend, sondern im heutigen Sinne geradezu nachhaltig.

Dr. Sabine Witt, Sammlungsleiterin Alltagskultur, Deutsches Historisches Museum