Berlin

Berlin Arbeitsmarkt: Werbetour für weniger Arbeitslose

Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit von der SPD, hat eine Menge zu tun mit ihrem Prestigeprojekt „BerlinArbeit“. Dieses höchst komplizierte, auf mehreren Bundes- und Landesfinanzierungen aufgebaute Arbeitsmarktprogramm war in den vergangenen Wochen, bevor der rot-schwarze Senat seinen Etatentwurf präsentierte, vor allem als Kürzungsoption im Gespräch gewesen.

Tatsächlich musste die Senatorin hinnehmen, dass ihre Arbeitsmarktpolitik im neuen Jahr mit knapp 20 Millionen Euro weniger auszukommen hat. Aber bei allem Widerstand, den ihre Gegenspieler im eigenen Lager, von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) bis Fraktionschef Raed Saleh (SPD), mobilisierten: Am Ende war es Senatschef Klaus Wowereit (SPD) persönlich, der schlimmere Verluste verhinderte.

Die Kürzungen hätten leicht fünf bis zehn Millionen Euro höher ausfallen können. Mit Unterstützung Wowereits setzte Kolat nun durch, dass ein wichtiger Teil von „BerlinArbeit“, das außerbetriebliche Ausbildungsprogramm für Jugendliche (BAPP), in den kommenden beiden Jahren je 500 Plätze zusätzlich erhält. Das ist in Berlin, wo die Jugendarbeitslosigkeit mit 13 Prozent im Vergleich zum Bund (5,5 Prozent) ein besonders schwieriges Problem ist, nicht gering zu schätzen.

Am Donnerstag war Kolat auf einer Art Werbe-Tour für ihr Programm, das vor einem Jahr startete und in den ersten Monaten auch wegen der Haushaltssperre massive Anlaufschwierigkeiten hatte. Kolat lud zu einer Zwischenbilanz mit dem beschwörend wirkenden Titel „Es geht voran – ein Jahr BerlinArbeit“ in die Jerusalemkirche ein. Gut 120 Teilnehmer kamen.

Es sei das erklärte und überprüfbare Ziel, sagte die Senatorin, mit ihrer Politik die Arbeitslosenzahlen bis Ende 2014 auf unter 200 000 zu drücken (von derzeit 213 000) und die Jugendarbeitslosigkeit von 13 auf weniger als 10 Prozent. Bedingung: Die Konjunktur hält durch.

Eigener Aufstieg als Beispiel

Dass die Ein-Jahres-Bilanz eines Programms, das erst vor einem halben Jahr wirklich durchorganisiert war, zurzeit noch eher Appellcharakter haben muss, dürfte der Senatorin bewusst sein. Sie bemühte sich in ihrer Rede, die Prinzipien von BerlinArbeit am Beispiel ihres eigenen Aufstiegs zu erläutern – vom Migrantenkind, das ohne ein Wort Deutsch in die Schule kam, bis zur Ressortchefin einer deutschen Landesregierung. „Mich hat Bildung und Aufstiegswille vorangetrieben“, sagte die 46-Jährige, die sonst nicht gern über ihre Biografie spricht.

„Dieses Beispiel zeigt: Wir dürfen niemanden nur deshalb aufgeben, weil seine Startbedingungen nicht gut sind.“ Arbeitslose seien nicht faul oder wählerisch, wie das Klischee behauptet, sondern laut einer Studie der Bundesarbeitsagentur würden 70 Prozent sogar Arbeit annehmen, für die sie überqualifiziert sind. Drei Viertel der Hartz-IV-Empfänger schätzen Arbeit als das wichtigste in ihrem Leben ein, auch wenn sie keine haben.

„Der Mythos vom selbst verschuldeten Unglück ist reines Vorurteil“, sagte Kolat. Auch Langzeitarbeitslose hätten das Recht auf eine zweite Chance.

Mehrere Felder zählen zu BerlinArbeit: Um die Arbeitslosigkeit zu verringern und auch den Fachkräftemangel zu bekämpfen, gibt es gerade für die rund 173 000 Langzeitarbeitslosen möglichst passgenaue Qualifizierung und individuelle Beratung („Coaching“) für den ersten Arbeitsmarkt, integriert in teils bundesfinanzierte Programme wie der „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ (FAV).

Insbesondere das Jobcoaching erreicht mit gut 6 300 Teilnehmern schon vorzeigbare Beteiligungsraten; allein die Ergebnisse – also die Vermittlungserfolge auf den ersten Arbeitsmarkt – sind noch nicht dokumentierbar. Kolat rief Unternehmen der Privatwirtschaft auf, Langzeitarbeitslosen mit aus Staatsmitteln bezahltem Jobcoaching eine Chance zu geben. Firmen, die dies getan haben, hätten gute Erfahrungen gemacht.

Darüber hinaus schloss die Senatsverwaltung mit der Arbeitsagentur, aber auch mit den Gewerkschaften und dem Unternehmerverband UVB detaillierte Zielvereinbarungen, etwa über gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne und den Kampf gegen Diskriminierung.

Dass dies alles noch im Ankündigungsstadium ist, kritisiert besonders die Linkspartei, deren rot-rotes Konzept eines öffentlichen geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) von Kolat beerdigt wurde. Das hehre Zeil nach einem Jahr auf eine mehr als magere Bilanz geschrumpft, sagte die Arbeitsmarktexpertin Elke Breitenbach (Linke). Langzeitarbeitslose hätten im Senat so wenig Unterstützung wie bei der Bundesagentur für Arbeit.