Der irrige Glaube von 1990, mit DDR und BRD kämen zwei gleiche oder auch nur ähnliche Teile zusammen, stört bis heute. Die Lebens- und Arbeitswelten hatten sich in 40 Jahren unterschiedlicher entwickelt, als es die Gestalter der deutschen Einheit sehen wollten.
Man hätte die Unterschiede besser verstanden, wenn es schon Anfang der 1990er eine Ausstellung gegeben hätte wie die jetzt im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums zu sehende: „Fortschritt als Versprechen. Industriefotografie im geteilten Deutschland“. Gemeinsam war beiden Deutschländern der Glaube an den Fortschritt, an die Verheißungen der Industrie: Wohlstand, Komfort und Freiheit, wovon es im Westen unter anderem wegen der vielen, großartigen Autos viel mehr geben sollte. Von den Konsequenzen der Ausplünderung der Ressourcen, der einheimischen wie der weltweiten, wollte die Mehrheit der Menschen in beiden Staaten lieber nichts wissen.

Fünf Branchen nimmt sich die Ausstellung vor: Kohle, Stahl, Chemie, Textil, Auto. Der Ursprung der Fotografien ist ähnlich: Industriebetriebe gaben sie bei eigenen Werkfotografen in Auftrag oder ließen Freie fotografieren. Die Unternehmen zeigen sich, wie sie gesehen werden wollten.
Die Aufnahmen aus Ost und West bleiben jeweils im eigenen Zusammenhang ihres jeweiligen Betriebes, doch sie assoziieren miteinander, sodass die Unterschiede schnell ins Auge fallen. Die West-Fotografen bevorzugen das Ästhetisieren von Technik und Material: Da glänzen die VW-Karosserien, bilden Teile Formationen, die wie abstrakte Gemälde aussehen, alles gerne in Schwarz-Weiß. Der Mensch dazwischen wirkt wie das Zubehör der Maschine.
Die DDR-Fotografen zeigen gerne Menschen, die Tradition der Arbeiterfotografie bestimmt das Bild. Natürlich geht da der Bergmann Adolf Hennecke im Steinkohlebergwerk Oelsnitz in Sachsen mit Presslufthammer ans Werk, und seine Kollegen sieht man in der Extremhitze des Stollens splitterfasernackt: keine Hose, kein Handschuh. Frauen dominieren die Bilder aus DDR-Betrieben: im Chemielabor, an der Schaltwarte, im Rechenzentrum, bei der Qualitätsprüfung von Stahl, in der Trabant-Montage. Am Arbeitsplatz West bleiben die ganz wenigen weiblichen Wesen nahezu unsichtbar.
Industrien wie Steinkohlebergbau oder die Textilindustrie sind hierzulange untergegangen. Sie sehen ihrem Ende entgegen wie der Braukohletagebau oder kämpfen mit hohen Energiekosten und gegen starke Konkurrenz wie Stahl- und Autoindustrie. So vergegenwärtigen die Fotos auch den ständigen Wandel mit einer Konstante: Nichts bleibt, wie es ist.




