Ich habe Hertha-Andi bis dahin noch nie so erlebt. Und das, obwohl wir uns in unserer gemeinsamen Stammkneipe schon in allen möglichen Gemütszuständen begegnet sind. Doch als ich an diesem Mittwochmittag in den Bierbrunnen in Wedding komme, ist alles anders. Normalerweise kann man Andi um diese Uhrzeit nicht antreffen. Denn er ist zwar seit einem Jahr in Rente, arbeitet aber neuerdings wieder, in einem Versandhandel für Dartpfeile. Ihn hier sitzen zu sehen, kann nur bedeuten, dass etwas passiert ist. Noch bevor er zu sprechen beginnt, fällt mir ein, dass er vor eineinhalb Wochen bei der Vorsorge beim Urologen war.
„Ich muss dir was sagen“, sagt er und setzt sich zu mir an den Tisch. Dabei tastet er nach meiner Hand und umfasst sie mit festem Griff. Eine Geste, die unvermittelt die Distanz überbrückt, die trotz aller Sympathie bisher zwischen uns herrschte. „Ich hab die Ergebnisse meiner Untersuchung gekriegt“, fährt er fort. „Weeßte, als die neulich die Biopsie bei mir gemacht haben. Und dabei hat sich herausgestellt, dass ich einen acht Millimeter großen Tumor in der Prostata habe. Ich bin jetzt sozusagen ein Mann mit Krebs.“

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