Mobilität

U2-Desaster in Mitte: Was jetzt unter dem Alexanderplatz geschehen wird

Am Wochenende wird die U-Bahn voll gesperrt. Doch das ist gut: Bald wird damit begonnen, den Tunnel der BVG wieder fit zu spritzen. Das ist nun geplant.

Das Gleis nach Pankow im U-Bahnhof Alexanderplatz kurz nach der Sperrung im Oktober 2022.
Das Gleis nach Pankow im U-Bahnhof Alexanderplatz kurz nach der Sperrung im Oktober 2022.Peter Neumann/Berliner Zeitung

Auf den ersten Blick ist es keine gute Nachricht. Die U-Bahnlinie U2 wird Freitagabend bis Sonntagnacht zwischen Klosterstraße und Senefelderplatz gesperrt. Fahrgäste müssen auf Busse umsteigen. Doch die Nachricht hinter der Meldung lässt hoffen.

Denn die U-Bahn-Linie in Mitte wird deshalb unterbrochen, weil die Instandsetzung des abgesackten Tunnels unter dem Alexanderplatz bald startet. An diesem Wochenende beginnen die Vorbereitungen, damit das mit dem Senat und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) abgestimmte Sanierungskonzept wie vorgesehen umgesetzt werden kann, teilte die Senatsverwaltung für Mobilität mit. Dem Vernehmen nach liegt das gesamte Vorhaben derzeit im Zeitplan. Im Sommer soll die U2 wieder durchfahren.

Seit dem 7. Oktober 2022 darf die U2 in diesem Teil der City Ost nur ein Gleis befahren. Ein Pendelverkehr wurde eingerichtet, der aber nur alle 15 Minuten verkehren kann – weshalb sich Bewohner des Berliner Nordostens abgehängt fühlen. Das Gleis nach Pankow musste gesperrt werden, nachdem das unterirdische Bauwerk aus unbewehrtem Beton um 3,6 Zentimeter abgesackt war. Bis Februar vergrößerte sich die Setzung auf 3,8 Zentimeter. Es hatte böse Vorzeichen gegeben: Bereits im Juli stellten BVG-Mitarbeiter Risse im Beton fest, von September an drang Grundwasser in den U2-Bahnhof ein.

Der Tunnel von 1913 verläuft neben der 17 Meter tiefen und mehr als 60 Meter langen Baugrube mit der Adresse Alexanderplatz 17, in der das Immobilienunternehmen Covivio ein Hochhaus mit Zwillingstürmen errichten will. Der Abstand zur Hochhaus-Baugrube ist gering, er beträgt zwischen 80 Zentimeter und 2,50 Meter. In den vergangenen Monaten hat sich die einen Meter dicke Baugrubenwand um rund 5,2 Zentimeter nach innen eingedellt. Der sandige und grundwasserreiche Boden nebenan gab nach, der aus Beton minderer Qualität bestehende U2-Tunnel von 1913 bewegte und verkantete sich.

Durch mehr als 50 Injektionslanzen soll Flüssigzement in den Boden fließen

Anfang Februar 2023 gaben Covivio und der Senat bekannt, wie der Schaden behoben werden soll. Laienhaft gesagt: Der U-Bahn-Tunnel bekommt die Spritze. Um das Bauwerk anzuheben, wird von der Baugrube aus Flüssigzement zur Verfestigung in den Boden gespritzt, um den Bahnhof schließlich anzuheben. An diesem Wochenende werden nun probeweise die ersten fünf Injektionslanzen in das Erdreich getrieben. Anfang der kommenden Woche wollen die Ingenieure dann beraten, ob und wie weitere Lanzen installiert werden. Insgesamt 50 sollen es am Ende sein, hieß es.

Die Rohre haben einen Durchmesser von 6,5 Zentimetern und alle 50 Zentimeter eine Öffnung, durch die der Flüssigzement in den Boden unter dem U2-Bahnhof gespritzt werden soll. Das Konzept sieht außerdem vor, dass die Wand der Hochhaus-Baugrube mit Stahlankern stabilisiert wird. Covivio trägt die Kosten der Tunnelsanierung, die auf rund zehn Millionen Euro geschätzt werden. Hinzu kommt eine Strafe an die BVG, die sich dem Vernehmen nach auf einen fünfstelligen Eurobetrag beläuft – pro Tag

Auch die Kommandantur Unter den Linden wurde mit Beton angehoben

„Ich würde zu 99,98 Prozent sagen, dass es klappt“, sagte Daniel Frey, Deutschland-Chef der Covivio, Anfang Februar. Informationen aus der Verwaltung zufolge befindet sich das Projekt im Zeitplan. Voraussichtlich ab Ende August 2023 soll wieder auf beiden Gleisen der U2 Zugbetrieb möglich sein.

Die U-Bahn-Fahrgäste würden sich freuen. Viele frühere Nutzer sind auf andere Routen oder andere Verkehrsmittel umgestiegen. Auf dem Abschnitt rund um den Alexanderplatz ist die Zahl der U2-Fahrgäste auf weniger als die Hälfte gesunken.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bauwerk mit einem solchen Verfahren wieder in die richtige Lage gebracht wird. Zwei Berliner Beispiele sind die Schlossbrücke in Mitte, die den Spreekanal überspannt, und die benachbarte Alte Kommandantur Unter den Linden 1. Beide Bauten waren bei den Arbeiten für die Verlängerung der U5 etwas aus dem Lot geraten. Auch bei ihnen traten Setzungen um mehrere Zentimeter auf – und wurden dann mit eingespritzter Zementsuspension angehoben.

Doch weiterhin gibt es Zweifel, ob es am Alexanderplatz klappen wird. „Wenn alles gut geht, wird es gelingen, das unterirdische Bauwerk in der jetzigen Lage zu stabilisieren“, sagte ein Beobachter. Der U2-Bahnhof sei durch die Setzung bereits geschädigt worden, zulässige Toleranzen wurden erreicht. Den Tunnel anheben zu können, hält er für illusorisch. Falls das Verfahren an diesem Ort nicht funktioniere oder sich die Probleme vergrößern, müsse über einen Neubau des Tunnelabschnitts nachgedacht werden.

Ein benachbartes Teilstück der heutigen U2 musste bereits zu DDR-Zeiten neu erstellt werden, nachdem dort 1972 insgesamt 14 Wagen ausgebrannt waren. Die BVB hatte Glück im Unglück: Für die geplante Verlängerung der heutigen U5 von Friedrichsfelde nach Tierpark lagen Betonfertigteile aus Ungarn bereit.