Berühmte Mütter und ihre Töchter

Leni Klum und ihre Karriere: Nichts bleibt dem Zufall überlassen

16 Jahre lang schirmte Heidi Klum ihre älteste Tochter von der Öffentlichkeit ab. Nun aber gibt es im familieninternen Vermarktungsbusiness kein Halten mehr.

Rising Star: Leni Klum vor ein paar Tagen bei der Berliner Fashion Week. 
Rising Star: Leni Klum vor ein paar Tagen bei der Berliner Fashion Week. dpa/Britta Pedersen

Berlin-Man muss sich das ganze wohl wie einen exakt durchchoreografierten Zeitplan vorstellen: Dass Leni Klum gerade so präsent ist in der Öffentlichkeit, nachdem ihre Mutter sie jahrelang aus genau dieser fernhielt, ist alles andere als Zufall. Wir haben es hier mit einer gut durchdachten und präzise vorbereiteten Familienunternehmung zu tun, die eben genau nichts dem Zufall überlässt.

Heidi Klum ist dafür bekannt, dass sie aus ihrem Herzen keine Mördergrube macht. Sie zeigte sich im Laufe ihrer langjährigen Model- und Moderationskarriere gern freizügig auf Social Media und hatte auch kein Problem damit, Intimes aus ihren Beziehungen auszuplaudern. Bei Ellen DeGeneres erzählte sie im Jahr 2007, dass sie und ihr damaliger Mann Seal sich gerne mal zu Schäferstündchen im Wandschrank träfen, bei Oprah Winfrey schwärmte Klum vom erstaunlichen „Paket“ ihres Gatten.

Eine gemeinsame Modestrecke in der Vogue markierte den Anfang

Doch die rheinische Frohnatur hatte Sperrstunde, wenn es um das Leben ihrer Kinder ging. Leni, Henry, Johan und Lou wurden weder auf Instagram zur Schau gestellt noch als Familienshow inszeniert, wie man es beispielsweise aus dem Reality-Gebaren der Kardashians kennt. Deren Kinder sind schon seit dem Babyalter auf Social Media zu sehen. Kylie Jenners dreijährige Tochter Stormi wurde kürzlich dabei gefilmt, wie sie mit ihrer schwangeren Mutter zum Frauenarzt fuhr.

Anders Heidi Klum: Sie zeigte ihre Kinder nicht öffentlich, es gab allenfalls verwackelte Paparazzi-Aufnahmen, Maskiertes oder Gepixeltes. Die Promi-Mutter schreckte bei der Abschirmung auch vor juristischen Abmahnungen nicht zurück. Umso größer war die Überraschung, als man Ende 2020 plötzlich den ältesten Klum-Spross Leni (aus Heidis Beziehung mit Formel-1-Manager Flavio Briatore) auf den Titelseiten sah. Die Vogue schenkte der damals 16-Jährigen und ihrer berühmten Mutter Cover samt Modestrecke.

Es war der Auftakt, die Anschiebe-Aktion für eine eigene Karriere der inzwischen 17 Jahre alten Klum-Tochter, deren Weg zu diesem Zeitpunkt bereits vorgezeichnet war – modeln wie die Mutter, Moderieren als Zusatzoption. Oder wie es Leni Klum formulierte: „Wenn meine Mutter irgendwann keine Lust mehr hat, dann springe ich sehr gern ein.“ Eine Anspielung auf das Erfolgsformat „Germany’s Next Topmodel“, das die omnipräsente Modelmama hierzulande bereits seit 15 Jahren zu ordentlichen Marktanteilen in der jungen Zielgruppe führt.

In der jüngsten Staffel hatte Leni Klum zwar nur einen kurzen Auftritt, dafür aber treibt sie ihre Modelkarriere umso konsequenter voran. Sie hat auf den Startschuss lange warten müssen: Das erste Angebot habe sie bekommen, da sei sie zwölf oder 13 Jahre alt gewesen. Die italienische Marke Brandy Melville hätte Leni gern als Gesicht verpflichtet: „Damals habe ich Mama angebettelt, aber keine Chance! Inzwischen verstehe ich, dass es zu früh gewesen wäre.“

Das heißt nicht, dass die 17-Jährige die Welt der Schönen und Reichen nicht kannte. Seit sie denken kann, habe sie ihre Mutter ans Set begleitet, ihre Arbeit und den Rummel um ihre Person verfolgt: „Die Paparazzi waren immer Teil unseres Lebens, genauso wie Leute, die uns beschützen.“ In der Wahlheimat USA ist Heidi Klum längst genauso bekannt wie in Deutschland, weil sie auch dort emsig TV-Shows moderiert.

Wenn sie sich im Interview als Helikopter-Mutter bezeichnet, so darf man dies durchaus wörtlich nehmen. 16 Jahre lang scheute Heidi Klum keine Mühen, um ihre Tochter Leni vor der Öffentlichkeit zu schützen. Das Ende der Enthaltsamkeit legte die Mutter selbst fest: „Sechzehn ist ein gutes Alter. Wenn man Auto fahren darf, kann man auch einen offiziellen Instagram-Account führen und sein Gesicht zeigen.“

Wer das Business kennt, darf sich berechtigte Sorgen machen

Dass ihr das Loslassen nicht leichtfällt, lässt sich leicht erahnen, wenn man Klum bei GNTM beobachtet. Die Models dort nennt sie „meine Mädchen“, sie behält gern die Kontrolle. Bei ihrer Tochter macht sie eigene Erfahrungen im Business und ihre elterliche Fürsorgepflicht geltend: „Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es ist, gut auf sich aufzupassen“, sagt sie – und dass sie wohl noch eine Weile ihre schützende Hand über die Tochter halten werde.

Sich aus dem Schatten dieser Omnipräsenz herauszulösen, wird eine von Leni Klums herausforderndsten Aufgaben werden. Sie kann dabei auf all die Erfahrungen und Kontakte zurückgreifen, die die berühmte Mutter mit sich bringt. Der Name wird ihr viele Türen öffnen, zudem greift die familieninterne Selbstvermarktung. Heidis Mann Tom Kaulitz und dessen Bruder Bill pushen Lenis Karriere über ihre eigenen Kanäle, Ehrensache. Schließlich hat Heidi der Kaulitz-Band Tokio Hotel seit deren Comeback 2019 ebenfalls ordentlich unter die Arme gegriffen, sie bei GNTM auftreten und den Titelsong beisteuern lassen. Kritiker sprachen schon von einer Dauerwerbesendung.

Das wird die Königin der Selbstvermarktung nicht weiter anfassen, und jetzt, da die Karriere ihrer Tochter ins Rollen gebracht wurde, ist jegliche Zurückhaltung ohnehin passé. Auf Instagram gratulierte Klum ihrer Großen zur ersten eigenen Fashion Show, die diese in Berlin absolviert hatte.

Dass die Mutter sich sorgt, hat wohl auch mit den Erlebnissen zu tun, die sie selbst in ihrer Zeit mit berühmten Modelkolleginnen machte. Die dauerfeiernde Kate Moss etwa, die für ein exzessives Nachtleben bekannt war und auch im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen in die Schlagzeilen geriet. Das sei nicht ihr Freundeskreis, sagte Klum einmal etwas abfällig. Vor der schiefen Bahn möchte sie ihre Kinder bewahren – gibt es doch genug Promi-Kinder, die vom Weg abkamen und am Ende in der Entzugsklinik landeten.

„Bei Drogen gibt es null Toleranz in meinem Haus“, sagte die 48-Jährige im Vogue-Interview. Manchmal höre sie von ihren Kindern, dass jemand aus der Klasse in Rehab sei. „Sie sind doch noch so jung, aber in L. A. kann man sehr schnell erwachsen werden, wenn man nicht aufpasst.“ Sie wolle ihre Kinder zur Selbstständigkeit erziehen, ihnen aber auch einen Kompass mitgeben für die richtigen Entscheidungen im Leben.

Auch Cindy Crawfords Tochter durfte erst mit 16 auf den Laufsteg

Eine ähnliche Strategie des kontrollierten Freilassens verfolgten auch berühmte Kolleginnen von Klum. Topmodel Cindy Crawford erlaubte ihrer 2001 geborenen Tochter Kaia Gerber erst mit 16 den Gang auf den Catwalk. Zwar hatte Gerber zuvor bereits gelegentlich gemodelt, aber Crawford sagte: „Es war gut, dass sie erst mit 16 Jahren auf den Laufsteg durfte. Dafür gibt es Gesetze. Danach konnte ich sie nicht mehr wirklich aufhalten.“ Inzwischen ist die 20-Jährige das Gesicht von Marken wie Marc Jacobs, Versace, Calvin Klein, Saint Laurent und Fendi gewesen.

Die großen Labels werden sich auch um Leni Klum reißen. Ende August durfte die 17-Jährige schon in Venedig für Dolce & Gabbana laufen. Mama Heidi saß in der ersten Reihe, filmte mit und postete alles bei Instagram. Ehrensache.

Am vergangenen Sonntag übrigens feierte Klums Sohn Henry seinen 16. Geburtstag. Zu diesem Anlass postete die Mama Kinderfotos, aber auch ein aktuelles Bild des Teenagers. Seine Augen wurden von einer animierten Sonnenbrille verdeckt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis wir auch ihn näher kennenlernen.