Die Woche auf dem Boulevard

Anja Rützels Kolumne: Unerfreuliche Dabeisitzer

Kanye West preist Hitlers Autobahnen, und Prinz Harry übt öffentlich für einen Ed-Sheeran-Imitationswettbewerb: Das war die Woche auf dem Boulevard.

How low can you go? Kanye West fällt nur noch unangenehm auf.
How low can you go? Kanye West fällt nur noch unangenehm auf.imago/Invision

Frau Rützel, wer hat Sie diese Woche wütend gemacht?

Ich fürchte, wir müssen diese lieb gewonnene Frage bald in „Womit hat Sie Kanye West diese Woche wütend gemacht?“ umbenennen. Zumindest so lange dem nun komplett unkontrolliert operierenden Musiker noch öffentliche Bühnen geboten werden, seine Hassreden abzulassen. Vergangene Woche führte er seine Eskalationen bei einem Interview mit dem ultrarechten Verschwörungsmunkler Alex Jones fort. Mit bankräuberhaft bestrumpftem Gesicht erklärte West, er liebe jüdische Menschen, aber er liebe auch Nazis. „Ich mag Hitler“ und „Ich liebe Nazis“, sagte er wörtlich und pries wie in einer tieftraurigen Parodie Hitlers Autobahnenbau: „Wir müssen aufhören, die Nazis die ganze Zeit zu dissen.“ Wie tief Kanye West inzwischen abgestürzt ist, belegt auch der Umstand, dass selbst der neue Twittereigner Elon Musk nicht mehr drumherum kam, ihn zumindest zeitweilig auf seiner Plattform zu sperren – nachdem West dort ein Logo gepostet hatte, das Elemente von Davidstern und Hakenkreuz enthielt. „YE24 love everyone“, schrieb der Rapper dazu, und ich weiß wirklich nicht, was man dazu noch sagen soll.

Träumen wir uns kurz in eine bessere Welt ohne Kanye-Ausfälle: Wer versetzte Sie sonst noch in Rage?

Oliver Pocher. Weil er zwar immer gern parat steht, um Menschen auf Instagram öffentlich für ihre Verfehlungen auszustellen, sich selbst aber mäßig konsequent an die von ihm aufgestellten Anständigkeitsansprüche hält. Vergangene Woche postete er ein Foto, auf dem er in geselliger Runde in Dubai Fußball-WM im Fernsehen schaute, und grüßte die Dabeisitzer Dennis Aogo und Bushido. Aogo postete das gleiche Foto – allerdings ohne die Klatschhand- und Deutschlandfahnen-Emojis, mit denen Pocher seine Version des Bildes bepflastert hatte.

Man musste nun nur teilzeit-sherlockhaft das Foto ein bisschen größer ziehen, um zu erkennen, wen Pocher unter diesem vermeintlichen Dekor versteckt hatte: Marcus Prinz von Anhalt nämlich, der zuletzt durch homophobe Hassreden und tierschutzrelevante Pferdegängelei bei seiner Halloween-Party aufgefallen war – kurz gesagt, man könnte sich kaum jemanden vorstellen, mit dem man lieber seine Freizeit verbringt. Oder vielleicht doch, weswegen Pocher den unerfreulichen Prinzen vorsorglich wegdekorierte. Man braucht nun sogar noch weniger Fantasie als detektivischen Spürsinn, um sich ausmalen zu können, wie Pocher auf eine solche Aktion reagieren würde, hätte er jemand anderes des Tarnemojisierens überführt.

Anja Rützel und Hund Juri
Anja Rützel und Hund Juriprivat

Am nächsten Donnerstag wird auf Netflix endlich die lang angeteaste Dokumentation von Prinz Harry und Herzogin Meghan zu sehen sein. Haben Sie sich zur Tiefenanalyse schon den Tag freigenommen?

Mir wird, ehrlich gesagt, schon schwerst blümerant, wenn ich mir den Werbetrailer anschaue, der diese Woche vorab veröffentlicht wurde. Harry und Meghan sind darin in dramatisch gefilmten, höchst privaten Schwarzweißaufnahmen zu sehen, als handele es sich bei den beiden um irgendwelche historischen Celebritys. Dass es ihnen vor allem um Rache an den Royals gehen dürfte, zeigt das hineingeschnittene Bild von Prinzessin Catherine mit Ich-werde-dich-töten-Blick. Rein zufällig wurde der Trailer ja auch pünktlich zu dem Zeitpunkt veröffentlicht, zu dem sie gemeinsam mit Prinz William zu Besuch in den USA ist, um dort Sympathiepunkte zu sammeln.

Am schwersterträglichen finde ich persönlich im Vorschaufilmchen das Bild, auf dem Meghan auf einer Wiese sitzt, flankiert von Harry mit Gitarre, als übe er für einen Ed-Sheeran-Imitationswettbewerb – aber ich habe den dunklen Verdacht, es wird für mich und alle anderen H&M-Skeptiker noch viel dicker kommen.

Was macht eigentlich Helene Fischer?

Ich gehe stark davon aus, dass sie ebenfalls tut, womit wir alle gerade beschäftigt sind: nämlich jede freie Minute für einen „Das Erbe der Guldenburgs“-Marathon zu nutzen, um damit die vergangene Woche verstorbene Schauspieldiva Christiane Hörbiger zu ehren – keine hätte die Rolle der Brauereiadligen gräfinnenmäßiger spielen können als sie.

Die Fragen stellte Christian Seidl.


Anja Rützel ist freie Autorin und schreibt vor allem über Fernsehen und Tiere. Für die Berliner Zeitung am Wochenende beobachtet sie die wunderliche Welt der Promis.