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Böhmermann über Schwarzer und von Storch: „Transfeindlichkeit schweißt zusammen“

In der jüngsten Sendung des „ZDF Magazin Royale“ geht es um Transfeindlichkeit. Ist das Thema zu komplex für ein 30-minütiges Satireformat? Ein Kommentar.

„Nur wenn trans Menschen falsch sind, können die von Storchs uns Schwarzers richtig sein“, behauptet Jan Böhmermann.
„Nur wenn trans Menschen falsch sind, können die von Storchs uns Schwarzers richtig sein“, behauptet Jan Böhmermann.ZDF/Screenshot/BLZ

Mit dem „Hashtag der Woche“ soll das Thema einer jeden Ausgabe des Unterhaltungs-Formats „ZDF Magazin Royale“ seinen Weg ins Internet finden. Je mehr Menschen dort die Sendung mit dem entsprechenden Stichwort kommentieren, desto mehr Aufmerksamkeit wird generiert. An diesem Freitag hat sich das Team von Moderator Jan Böhmermann für den Hashtag #turds entschieden. Das heißt was?

Das heißt, in dieser Woche nimmt die Sendung abermals aufklärerisch daherkommende Züge an. Der Hashtag gibt den Ton an. Wie so oft setzt er sich aus zwei Begriffen zusammen: dem englischen Wort „turd“, was auf Deutsch so viel wie, pardon, Scheißhaufen bedeutet, und  dem Akronym „TERF“, das sich aus den Anfangsbuchstaben von „trans-exkludierende Radikalfeministinnen“ zusammensetzt. Der Hashtag #turds meint also, frei übersetzt: Von jenen Radikalen, die wagen, sich Feministinnen zu nennen, kommt nichts als, naja, brauner Mist.

Finden Sie die Vorstellung von Sex mit Tieren erregend?

Die Sendung nimmt Bezug auf zwei jüngere Debatten. Zum einen geht es um den heuchlerischen Umgang mit LGBTIQ+-Themen bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar – Stichwort „One Love“-Binde. Das hält für ein paar lustige Pointen her. Der Fokus der Sendung liegt allerdings auf dem neuen Selbstbestimmungsgesetz und dem Hass, den dieses in bestimmten Kreisen hervorruft.

Das von der Ampelregierung entworfene Gesetz soll das „Transsexuellengesetz“ aus den 1980er-Jahren ersetzen. Wie entwürdigend dieses konzipiert wurde, zeigt Böhmermann in einem Ausschnitt mit Fragen für psychiatrische Gutachten, die Aufschluss über vermeintliche „transsexuelle“ Identität liefern sollen. Betroffene werden nach sexuellen – und kriminellen – Vorlieben befragt, etwa, ob sie die Vorstellung von Sex mit Kindern oder Tieren erregend fänden. Betroffene müssen sich, ausgehend von derlei Gutachten, vor Gericht emotional entblößen und ihre Identität verteidigen. Nicht nur sind diese Methoden bekanntermaßen perfide und aus veralteten Stereotypen entworfen, auch ist längst wissenschaftlicher Konsens, dass sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität nicht miteinander zusammenhängen. Kurzum, das alte Gesetz gehört längst zu den Akten im Schäm-Dich-Deutschland-Museum.

Einen anderen Eindruck erweckt allerdings die koordinierte Stimmungsmache, die aktuell dem neuen Gesetz entgegenschlägt, ausgehend von verschiedenen Lagern. „Was haben Alice Schwarzer, die TERFs, rechtskonservative Publizistinnen und ‚AfD-Faschos‘ wie Beatrix von Storch gemeinsam?“, fragt Böhmermann. Die Antwort: Sie wettern im Kanon gegen das Existenzrecht von queeren Personen.

Bevor er die Beweise der organisierten Hetze jenes Bündnisses vorlegt, sagt Böhmermann: „Um das mal auszusprechen: Nicht Trans-Sein ist Mode, sondern Transfeindlichkeit.“

 Alice Schwarzer sieht das anders. Die „früher mal Feminismus-Ikone“ (Böhmermann) wird derzeit nicht müde, eine angebliche „Trans-Mode“ zu beschwören. In der von ihr herausgegebenen Zeitschrift Emma erschienen zuletzt wiederholt Artikel, die gegen trans Personen hetzten und ihre Existenz negierten. AfD-Frontfrau Beatrix von Storch ist da ideologisch offenbar nicht weit von Schwarzer entfernt, wie Böhmermann aufzeigt. Nicht nur hält Storch Reden im Bundestag, in der die AfD-Politikerin das stumpfe „Gender-Gaga“-Bajonett schwingt – also eine Gefahr herbeiredet, die keine ist –, sie zählt auch die Emma zu den Quellen ihres Wissens. „Transfeindlichkeit schweißt zusammen“, bemerkt Böhmermann.

Wer hat Interesse am „Feindbild Gender“?

Zu dieser Anti-Gender-Allianz zählt Böhmermann auch die Meeresbiologin Marie-Luise Vollbrecht, die in diesem Sommer große Medienaufmerksamkeit bekam, weil die Humboldt-Universität nach Kritik einen Vortrag von ihr absagte. Dieser Vortrag sollte von der Binarität der menschlichen Geschlechter handeln. Vollbrechts Positionen sind inzwischen an anderer Stelle nachzuschauen und zu lesen gewesen. Es gebe nur zwei Geschlechter, Mann und Frau, und nichts dazwischen, daran sei nicht zu rütteln, so ihre Sicht.

Dass Vollbrechts Positionen von anderen Wissenschaftler:innen längst widerlegt sind, dass sie ob ihrer Promotion zu „elektrischen Fischen“ (Böhmermann) nicht unbedingt die Qualifikation mitbringt, sich zu menschlichen Geschlechtern auf einer wissenschaftlichen Bühne an der Universität zu äußern, ist das eine. Dass sie obendrein eine komplexe Welt vereinfacht, und dabei behauptet, ihre Erkenntnis sei die einzig richtige, unveränderliche Wahrheit, das selbst ist nichts als unwissenschaftlich.

Etwas vereinfachend ist auch die Sendung am Freitagabend leider, an der Oberfläche bleibt die Recherche zu Verbindungen zwischen völkischem Nationalismus, rechter Hetze und dem Feindbild „Gender“. Etwas zu kurz kommt auch zum Ende der Sendung die tatsächliche Gewalt, der queere Menschen täglich ausgesetzt sind und die durch die Hetzerinnen und Hetzer mitverursacht wird.

Und dennoch ist das „ZDF Magazin Royale“ vielleicht kein schlechter Ort, um Vollbrecht, Schwarzer, von Storch und Co. mal zur Primetime in einen Topf zu stecken. Sie stehen da jedenfalls ganz gut beieinander in der Mediathek, während der Hashtag #turds im Netz seine Runden dreht.