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TV-Kritik: Wie Kurt Krömer versuchte, Julian Reichelt mit seinen eigenen Waffen zu schlagen

Der Komiker Kurt Krömer lud den Ex-Bild-Chef Reichelt in seine Sendung ein, um ihn zu grillen. Ist ihm das gelungen?

Julian Reichelt in der Sendung Chez Krömer vom 14. November 2022.
Julian Reichelt in der Sendung Chez Krömer vom 14. November 2022.Screenshot rbb/ARD Mediathek

Kurt Krömer hat der Journalisten-Bubble einen kleinen Aufreger geschenkt. Der Komiker und RBB-Moderator hat sich nämlich dafür entschieden, den ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt in seine Sendung Chez Krömer einzuladen – und Reichelt hat die Einladung angenommen. Die Sendung wird am Dienstagabend im RBB ausgestrahlt. Am Montag war sie schon in der Mediathek zu sehen, worauf die Diskussion auf Twitter sehr schnell heißlief.

Denn Krömer hatte die Gelegenheit genutzt, Reichelt regelrecht zu grillen und ihn in kurzen, schnappatmigen Fragen mit unbewiesenen oder auch bewiesenen Vorwürfen zu konfrontieren, privater und beruflicher Natur. Zeitweise mochte man gar nicht mehr hinsehen, da sich die Sendung wie ein verbal-blutiger Gladiatorenkampf anfühlte.

Kurt Krömer steckte seine Finger in die Wunden. Erst einmal konfrontierte er Reichelt mit den Tiefpunkten der Bild-Berichterstattung während Reichelts Chefredaktionsära. Er zeigte ihm Analysen, wie die Bild-Zeitung während der Flüchtlingskrise erst die Willkommenskultur unterstützte und später mit Polemiken gegen syrische Einwanderer am rechten Rand fischte. Krömer erinnerte daran, dass die Bild-Zeitung durch Veröffentlichungen privater Nachrichten die Ex-Freundin von Jérôme Boateng, Kasia Lenhardt, in die Verzweiflung stürzte. Das Model nahm sich später das Leben. Nach der Familientragödie von Solingen zitierte die Bild-Zeitung aus einem privaten Chat der Opfer und zeigte unverpixelte Bilder. Auch das bezeichneten seriöse Journalisten als unerhörten Regelverstoß gegen den Pressekodex.

Später ging es um die gegen Reichelt erhobenen Missbrauchsvorwürfe

Reichelt jedoch wusste sich zu verteidigen. Er gestand Fehler ein, wie im Solingen-Fall, konterte aber in der Mehrzahl mit Rechtfertigungen. Er sagte, dass er von Friede Springer unter Druck gesetzt worden sei, um in der Corona-Krise die Linie der Bundesregierung zu stützen. Doch er habe sich geweigert und stattdessen eine Kampagne gegen Christian Drosten organisiert. Bei Krömer feierte er die zahlreichen Angriffe auf den Virologen als das Aufbegehren eines kritischen Journalisten – Angriffe übrigens, die dazu führten, dass Drosten in die Öffentlichkeit nur mit Schutzausrüstung ging. Die Kampagne gegen Kasia Lenhardt rechtfertigte er damit, dass die Polin ihre Chatverläufe bereits bei Instagram veröffentlicht hatte und dass sie damit nicht privat gewesen seien.

Später ging es dann auch um die gegen Reichelt erhobenen Missbrauchsvorwürfe in der Bild-Redaktion. Die offizielle Version lautet, dass Reichelt wegen Compliance-Verstößen seinen Job bei Springer als Chefredakteur verloren habe. Reichelt wiederum sagte, dass er bis heute nicht so richtig wisse, warum er gekündigt worden sei. Was man Reichelt lassen muss: Er zeigte Selbstbewusstsein und insistierte darauf, dass er Opfer einer Verschwörung sei – und dass man ihn aus anderen Gründen loswerden wollte. Zu den Missbrauchsvorwürfen selbst wollte er sich nicht äußern.

Wollte Reichelt die Sendung abbrechen?

Krömer aber blieb hartnäckig. Immer wieder fragte er nach, aggressiv, penetrant, in seiner störrischen Art, doch Reichelt ließ sich nicht beirren. Er verwies darauf, dass die ehemaligen Beziehungen zu den Frauen in der Bild-Redaktion seine Privatsache seien und er sich dazu nicht äußern wolle. Es begann ein Katz-und-Maus-Spiel, das es in sich hatte. Während Krömer sich abmühte, Reichelt als Scharlatan zu enttarnen – er zeigte sogar die amerikanische Klageschrift eines vermeintlichen Missbrauchsopfers –, wählte Reichelt ironischerweise die Taktik, dem Fragesteller Krömer Bild- bzw. Reichelt-Methoden vorzuwerfen.

Zwischenzeitlich hatte man den Eindruck, Reichelt würde jeden Moment die Sendung abbrechen und aus dem Studio rennen. Aber so weit kam es nicht. Er blieb ruhig, angreifend, grinste, reagierte ausweichend oder spielte den Souveränen. Er versuchte auch, das Gespräch auf sein neues Format „Achtung Reichelt“ zu lenken, das man sich (noch) kostenlos bei YouTube ansehen kann. Wer als Finanzier dahinter steht, wollte er freilich nicht verraten.

Bild-Methoden fühlen sich im Journalismus einfach falsch an

Höhepunkt war sicherlich Krömers Frage bezüglich Reichelts Drogenkonsum. Reichelt verneinte anfangs die Frage. Die Kamera zoomte auf seine Augenpartie, wollte ein Zittern, eine zaudernde Reaktion einfangen. Es war der einzige Moment, in dem Reichelt Unsicherheit zeigte. In der Branche gilt es schließlich als so gut wie sicher, dass es in der Chefredaktion der Bild-Zeitung unter Reichelt zu Drogenkonsum gekommen war. Man hatte fast ein wenig Mitleid mit Reichelt und dachte sich, dass ein Drogen-Zugeständnis ihn nicht unbedingt unsympathischer machen würde. Doch der verwies erneut auf den Schutz seiner Privatsphäre. 

In den sozialen Netzwerken wird jetzt diskutiert, ob die Diskussion mit Reichelt überhaupt sinnvoll gewesen sei. Würde man damit nicht die vermeintlichen Machtmissbrauchsopfer verhöhnen und Reichelt eine Bühne bieten? Die klassischen Fragen eben, die sich stellen, wenn kontroverse Personen zu Wort kommen. Eine allgemeingültige Antwort gibt es nicht. Dennoch wird man nach dem Anschauen der Sendung das Gefühl nicht los, dass hier keiner der beiden als Sieger aus dem Studio ging. Ob Reichelt oder Krömer: Bild-Methoden fühlen sich im Journalismus einfach falsch an.

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