Mit dem „Solomon“ von 1748 beginnt Händel die Reihe seiner kostbaren letzten Oratorien. Hatte er davor das militärische Engagement Englands im Österreichischen Erbfolgekrieg mit Werken wie „Judas Maccabaeus“ und „Joshua“ propagandistisch unterstützt, wendet sich „Solomon“ entschieden den Friedenswerken eines Herrschers zu. Weisheit und Gerechtigkeit sind die zentralen Tugenden. „Solomon“ hat keine Handlung. Im ersten Teil geht es um den Tempel und um Salomo als Schriftsteller des Hoheliedes – der zauberhafte Schlusschor mit den Vogelstimmen gehört zum Erotischsten aus Händels Feder. Im zweiten Teil spricht Salomo im Streit zweier Frauen um ein Kind sein berühmtes Urteil. Im dritten präsentiert er der Königin von Saba seinen kulturellen Reichtum.
Dieses reich besetzte und im Chor oft achtstimmig gesetzte Werk hat sich Robin Ticciati mit seinem Deutschen Symphonie-Orchester (DSO) und dem Rundfunkchor Berlin vorgenommen und dazu wunderbare Solisten eingeladen. Die Streicher hatten Darmsaiten aufgezogen, die Blechbläser spielten auf ventillosen Instrumenten. Der Rundfunkchor, Spezialist für Chorromantik, wurde von Benjamin Goodson auf klare Ansprache und Wendigkeit trainiert. Dennoch bringen beide Ensembles ihre jeweiligen Klangeigenschaften ein, die Aufführung ist weniger von rhetorischer Prägnanz geprägt als von warm und weich fließendem Klang. Damit ist etwas an diesem Stück getroffen: Sein demonstrativer Reichtum an Genres von der Hirtenmusik bis hinauf zur Choralbearbeitung will eher unser Staunen hervorrufen als uns moralisch belehren, sodass es also eher einer Sensibilität für Klänge bedarf als eines rhetorisch erhobenen Zeigefingers.
Panik in der Voliere
Ticciatis Darstellung ist dynamisch ungemein differenziert vom ersten Takt an, die Aufführung ist dennoch in der Folge der Nummern von ruhiger Stetigkeit, wenn auch gelegentlich zu rasch. So klingt der erwähnte Nachtigallenchor ein wenig nach Panik in der Voliere, und im „Praise the lord“ muss der Rundfunkchor im Wechsel der beiden Chöre rascher sprechen, als es die sprachliche Gediegenheit fordert. Gelegentlich fallen im DSO Konzentrationsschwächen auf, die sich in Intonationsproblemen und unscharfem Zusammenspiel niederschlagen – aber um 63 Nummern mit individuellen Tempi und Charakteren zu verinnerlichen, braucht man auch mehr als eine Aufführung.


