François-Xavier Roth ist bei den Berliner Philharmonikern seit einigen Jahren der Dirigent für die besonderen Programme. Auch am Freitag bei einem Konzert im Rahmen des Musikfests Berlin war das so: Er eröffnete den Blick auf eine bis in unsere Tage dauernde Epoche des musikalischen Zynismus.

Das Ende stand am Anfang: Igor Strawinskys „Sacre du Printemps“, das mittlerweile auch von den Philharmonikern totgespielte Stück, wurde im Programmheft mit seltener Klarheit auf seine misogyne Ursprungsidee gebracht: „Ein junges Mädchen soll geopfert werden“. Natürlich, an der Partitur hat seit jeher weniger der prähistorische Plot als Strawinskys Umgang mit Rhythmus und Klang, mit Rausch und Gewalt interessiert. Aber auch am kompositorischen Kalkül, das in Roths distanzierter Dynamik und in der zeitweiligen Verdrehung von melodischem Vordergrund und Hintergrundtextur verdeutlicht wurde, zeigt sich die anti-humanistische Stoßrichtung des Werks, sein vollständiger Ausfall an Mitleid mit dem Opfer.

Und deswegen leider auch harmlos. Das Klavierkonzert des amerikanischen Komponisten und Gitarristen ist kein Highlight seines Schaffens.

Das Konzerthausorchester spielt Bryce Dessner: Frei von Glätte und Penetranz

Unangenehmes Kalkül

Der Zorn Gottes ist nichts gegen die Hölle der Eifersucht. Petrenko und die Philharmoniker führen durchs Fegefeuer der Ausdrucksmittel. Die Konzertkritik.

Die Berliner Philharmoniker führen Rachmaninows „Francesca da Rimini“ auf

Aus dem Zeitalter des Zynismus: Die Berliner Philharmoniker spielen Strawinsky und Boulez

Opfern ohne Mitleid, Trauern ohne Menschlichkeit, Komponieren mit Kalkül. Hat das Musikfest zu viel Angst vor dem Kitsch? Die Kritik.

16:9

Aus dem Zeitalter des Zynismus: Die Berliner Philharmoniker spielen Strawinsky und Boulez beim Musikfest Berlin

Musik

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