Kay Oleander versteht nicht, warum ihn alle wie einen alten, schwachen Greis behandeln. Er hat doch „nur“ sein linkes Auge verloren, kein bisschen seiner körperlichen Kraft eingebüßt. Gestern war er noch Polizist, heute ist er von Dienst freigestellt und schleppt sich mehr schlecht als recht durch verregnete Tage. Wer die Flasche geworfen hat, die ihn auf einer Demonstration mitten ins Gesicht traf, bleibt unklar.
Doch dann führen Zeugenvernehmungen seiner Kollegen Oleander auf eine Spur: Silvia Glaser, genannt Via, war auch auf der Demo. Nach einem schweren Fahrradunfall, der Glaser an einen Gehstock fesselte, schloss sie sich der rechtspopulistischen Neuen Volkspartei (NVP) an. Und obwohl Oleander sie von Anfang an verdächtigt, die Flasche geworfen zu haben, schweißt das Schicksal die beiden Versehrten zusammen. Nachdem Oleander, psychisch schwer von dem Verlust des Auges getroffen, sie wie im Delirium nachts aufsucht, verliebt Glaser sich zusehends in den Polizisten mit der Augenklappe. Sie will aus der vermutlich ein Attentat planenden NVP aussteigen, fürchtet aber die Konsequenzen. Gemeinsam beschließen die beiden, die Rechtsextremisten in einem Undercover-Einsatz in Eigenregie aufzuhalten.
Ein geschorener Maulwurf
Friedrich Ani hat bereits mehr als 30 Kriminalromane verfasst, und auch dem neuem merkt man an, dass er sein Handwerk bis in die Kleinigkeiten beherrscht. Über gut 260 Seiten flaut die Spannung nie wirklich ab, was auch an der ausführlichen Beschreibung des psychischen Zustands Oleanders liegt. Seine Gedanken oszillieren zwischen tiefstem Selbsthass und Trauer, dann lacht Oleander wieder, schreit in seiner Küche herum und trinkt. Letzteres auch gerne in Münchner Kneipen, deren Atmosphäre Ani lebhaft einfängt, wenn der vom Leben ramponierte Oleander nach sieben Hellen aus der Schenkentür in die Nacht taumelt.

Dieser Krimi ist aber nicht nur spannend, er ist auch urkomisch. Teilweise slapstickartig beschreibt Ani, wie der Expolizist sich durch seinen neuen Alltag bewegt. Der Galgenhumor der inneren Monologe Oleanders bringt einen dabei genauso zum Lachen wie die skurrilen Dialoge des Buches. Etwa wenn der verwirrte Oleander nackt an seinem Fenster steht und sein angriffslustiger Nachbar Gustav ihn als „geschorenen Maulwurf“ bezeichnet. Nach einer darauffolgenden Beleidigungstirade stellt er sich später – ja, das ist ein wenig vorhersehbar – als Verbündeter für Oleander heraus, der ihm seine Attentatstheorie glaubt und ihn nach einer Schlägerei mit freundlichen Worten, Anisschnaps und Diazepam versorgt.
