Willi läuft durch die Stadt, atemlos, sein Körper in purer, geballter Bewegung. Willi ist auf der Flucht, auf der Suche nach sich selbst. Unaufhaltsam geht er dabei verloren. Zuletzt kommt es, wie es kommen muss. Er wird von seiner Vergangenheit eingeholt, seine bescheidenen Träume von Geborgenheit und Glück lösen sich auf. Seine Zukunft heißt Knast.
Als Roland Klick 1974 seinen in Hamburg spielenden Straßenfilm „Supermarkt“ der bundesdeutschen Öffentlichkeit vorstellte, war das Staunen groß. Der Neue Deutsche Film konnte also auch Thriller? Ganz anders als der Titel vermuten ließ, war dies eben keine modellhaft durchbuchstabierte Kapitalismuskritik, die den Warencharakter der zwischenmenschlichen Beziehungen erklärt. Hier trat plötzlich vibrierendes Körperkino auf den Plan, getragen von Milieukenntnis und Empathie. Das hatte mehr mit New Hollywood zu tun als mit europäischem Autorenkino.
Für diese Leistung gab es zwei Filmbänder in Gold. Für mehrere Mitwirkende eröffneten sich glänzende Karrieren, so für Eva Mattes, bei Klick als wasserstoffblonde Prostituierte auftretend. Oder Marius Müller-Westernhagen, der als Marius West für den Film einen Song beisteuerte und dem Laien-Hauptdarsteller Charly Wierzejewski seine Stimme lieh. Kameramann Jost Vacano drehte später für Wolfgang Petersen „Das Boot“ und wurde dann von Paul Verhoeven nach Hollywood geholt.
Wider die Erklärungssucht
Regisseur Roland Klick allerdings konnte seinen Weg nicht wie erhofft fortsetzen. Warum sich das deutsche Kino immer wieder den Verschleiß solcher Ausnahmetalente leistet, weiß allein die Sphinx des Fördersystems. Fest steht, dass seine unangepasste Stimme von Produzenten und Regie-Kollegen eher als Störfaktor wahrgenommen wurde. In Interviews beklagte er die pedantische Erklärungssucht vieler Regisseure, die jede Imagination beim Zuschauer ersticke. Sein Hauptvorwurf an den Neuen Deutschen Film war Publikumsfeindlichkeit. Dies löste Kränkungen aus. Es lief doch gerade wunderbar. Die Subvention des neudeutschen Autorenfilms war über Jahre hinaus gesichert, es könnte immer so weitergehen. Was es ja dann auch bis heute tat. Dass ein anspruchsvolles Genrekino in Deutschland quasi nicht existiert, hat genau damit zu tun.
Am Montag feiert der ungebrochene, seit Anfang der 90er in Irland lebende Roland Klick seinen 83. Geburtstag. Aus diesem Anlass zeigt das Lichtblick-Kino noch einmal den legendären „Supermarkt“ sowie den 1983 fertiggestellten „White Star“ mit Dennis Hopper in einer Hauptrolle; auch dies die Geschichte mehrfachen Scheiterns. Hopper spielt einen abgehalfterten Rock-Manager, der es noch einmal wissen will. Kurz vor Erreichen seines Ziels bricht das Gebilde aus Manipulationen zusammen. Sein Geschöpf namens „Moody“ steigt aus. Für Klick wurden die Dreharbeiten zum Alptraum. Denn nicht „Moody“ stieg aus, sondern der schwer kokainabhängige Hopper. Kameramann Jürgen Jürges, eben für sein Lebenswerk geehrt, wird zur Vorführung anwesend sein und von seinen Rettungsversuchen am Film berichten.



