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Reality ist relativ: Die Kardashians sind zurück

Nach kurzer Schaffenspause und einem 100-Millionen-Deal kann man sich das Leben von Kim und Co. nun bei Disney+ anschauen. Aber warum sollte man?

Kim Kardashian ist froh, dass die Kameras endlich wieder da sind.
Kim Kardashian ist froh, dass die Kameras endlich wieder da sind.Disney

Nach drei Minuten ist eigentlich alles gesagt. So lange dauert der wilde Drohnenritt, bei dem die Zuschauer der „neuen“ Reality-Show der Kardashian-Familie die Villen der porträtierten Frauen nacheinander abfliegen. Los geht es durch die Beine des Blink-182-Drummers Travis Barker, dem Freund der frischverliebten Kourtney, der im Garten mit ihren Kindern spielt, rauf auf den Balkon, wo die Hausherrin das Geschehen begutachtet. Dann weiter zur Baustelle von Khloé, sich freut, dass ihr neues Heim bald fertig sein wird: „Amazing!“, „I’m so excited!“. Weiter zu Kendall, die in ihrem Garten mit Klangschalen hantiert.

Die Häuser sind so weitläufig wie austauschbar, persönliche Gegenstände sucht man während des Trips vergeblich. Es folgt Kylie im Hauptquartier ihres Unternehmens Kylie Cosmetics, durch das sie zur Milliardärin wurde – „self made“, wie sie selbst findet. Hier hat auch Matriarchin Kris ein Büro, die ihre jüngste Tochter nun daran erinnert, dass sie bei Kim eingeladen sind – Stichwort zum Weiterflug. Kim beaufsichtig derweil im schwarzen Catsuit, der an einen Ganzkörper-Thrombosestrumpf erinnert, ein Fotoshooting ihrer Firma Skims, die körperformende Kleidung, sogenannte shapewear, für eine große Bandbreite an Größen und Hautfarben herstellt. Auch dieses Unternehmen ist Milliarden wert.

Eine Ode an den Überfluss

In diesem Einstieg harmonieren Form und Inhalt; er ist eine Ode an den Überfluss. Ungefähr 100 Millionen Dollar soll der amerikanische Streaminganbieter Hulu, der mehrheitlich Disney gehört, der Familie für die Show bezahlt haben; eine vollkommen irre Summe, vor allem wenn man bedenkt, dass Kim und Co. hier eine Bühne bekommen, auf der sie die Geschichten, die Zuschauer längst aus der Presse kennen, nach ihren Vorstellungen nachjustieren können und noch dazu ihre zahlreichen Produkte in die Kameras halten dürfen.

Trotzdem war die Marke der vielleicht bekanntesten amerikanischen Familie Disney den Betrag wert, man kündigte Updates und mehr Privates an, was sich nach dem hochgejazzten Auftakt schnell als leeres Versprechen entpuppt: „The Kardashians“ ist lediglich eine etwas glänzendere Version von „Keeping Up With the Kardashians“, die Show, mit der 2007 alles begann, und die im vergangenen Jahr mit großem Trara verabschiedet wurde. Ihre Töchter wollten einfach mal wieder ohne Kameras leben, gab Mama Kris als Grund an – drei Monate später wurde der Deal mit Hulu verkündet.

Auch diesmal weiß jeder, der die Klatschschlagzeilen zumindest regelmäßig überfliegt, schon vorher, was in den Folgen, ja der gesamten Staffel, passieren wird. Kims Trennung von Kanye wird ungemütlich, vor allem, als sie eine Beziehung mit dem Komiker Pete Davidson beginnt. Kourtney verlobt sich, Kylie kriegt ein Baby, Khloé wird vom Vater ihrer Tochter mal wieder belogen und betrogen, Kendall macht nichts und Kris erklärt, wie sehr sie ihre Töchter liebt, und dass Familie das Wichtigste im Leben ist. Höchstens die Suche nach den Vorzeichen der Skandale kann da mitunter noch interessant sein: Wie ist Tristan Thompsons Körperhaltung, wenn er Besserung gelobt, wie ist die Chemie zwischen Kim und Pete Davidson, als sie zum ersten Mal zusammenarbeiten?

Sex-Tape-Drama als gutes Omen

Kim selbst zeigt sich begeistert, dass die Kameras wieder da sind, zum Beispiel, damit sie mit ihren Fans teilen kann, dass sie das Spielzimmer ihrer Kinder selbst aufräumt: „Das wird jede Mutter verstehen, nur wenn das Spielzimmer ordentlich ist, kann man gut schlafen“. Kurz darauf beklagt sich Khloé bei ihrer Schwester darüber, dass deren Skims-Designs im Schritt so schmal sind, dass links und rechts die Schamlippen raushängen.

Dass alle Protagonistinnen Meisterinnen der inszenierten Intimität sind, muss auch den gutgläubigsten Zuschauerinnen und Zuschauern seit langem klar sein; das Beispiel von Kims Sex-Tape, das Anfang 2007 die Erfolgsgeschichte des ganzen Clans begründete, will man an dieser Stelle, knapp 20 Jahre, nachdem es gefilmt wurde, eigentlich nicht wieder anführen – doch die Schwestern tun es selbst.

Auf einer Grillparty bei Kim in der ersten Folge kommt plötzlich ihr Sohn mit seinem iPad angelaufen, in seinem Online-Spiel hat er ein Bild von Mama gefunden. Könnte er lesen, wüsste er: Darunter steht, dass bisher unbekanntes Material aus der besagten Nacht demnächst veröffentlicht werden soll. Kim bleibt cool, überspielt die Situation mit einem Lachen, später bricht sie am Telefon in Tränen aus. Gerade als echtes Mitgefühl aufkommt, triumphiert Khloé: „Kim, wir sprechen in der ersten Staffel über dein Sex-Tape, das ist ein gutes Omen!“. Man will nicht glauben, dass auch diese Aktion, mit Einbezug der kleinen Kinder, von denen eins später mehrmals in die Kamera haut, inszeniert war. Aber man kann. Ein Grund mehr, „The Kardashians“ nicht einzuschalten.

The Kardashians, ab 14.04. immer donnerstags bei Disney+