Kino

„Fucking Bornholm“: Midlife-Crisis im Sommerurlaub

Auf einem Campingplatz in Bornholm lässt die polnische Regisseurin Anna Kazejak die aufgestauten Konflikte zweier Paare eskalieren. Das sagt unsere Autorin über den Film.

Schon auf der Fähre in Richtung Bornholm gären Ressentiments zwischen den Urlaubern.
Schon auf der Fähre in Richtung Bornholm gären Ressentiments zwischen den Urlaubern.Arsenal Filmverleih

Es könnte alles so schön sein. Keiner muss arbeiten, die Sonne über Bornholm strahlt, man ist in der Gesellschaft alter Freunde. Und trotzdem kommt in diesem Urlaub keine gute Laune auf. Zum einen, weil sich an der Konstellation der beiden Paare, die seit Jahren jeden Sommer gemeinsam auf immer demselben Campingplatz am Strand der dänischen Insel verbringen, etwas geändert hat. Dawid (Grzegorz Damięcki) hat sich von seiner Frau getrennt und stattdessen seine neue jüngere Freundin Nina (Jaśmina Polak) dabei. Seinen Sohn sieht er seit der Scheidung nur noch alle zwei Wochen. „Erst nach der Scheidung werden Frauen so richtig grausam“, erklärt er seinem Freund Hubert (Maciej Stuhr). Allein deshalb darf für ihn in diesem Urlaub nichts schiefgehen.

Hubert ist mit Maja (Agnieszka Grochowska) verheiratet, die Dawid schon seit der Uni kennt. Maja hat allerdings weder ihren Abschluss gemacht noch jemals gearbeitet, „ihr Leben sind die Kinder“, fasst Dawid die Existenz der zweifachen Mutter für Nina zusammen. Die junge Frau nimmt das mit Skepsis auf, wie noch so manch anderes Narrativ, das sich die Anfangvierziger füreinander und sich selbst zurechtgelegt haben. Ein Vorfall zwischen den drei Kindern in der ersten Nacht im Zelt lässt eins von ihnen traumatisiert zurück, setzt aufgestaute Ressentiments auf allen Seiten frei und befördert alle Freunde von früher vollends in eine Midlife-Crisis.

Alles geopfert und trotzdem versagt

Das Hauptaugenmerk und die Sympathien der polnischen Regisseurin Anna Kazejak liegen dabei auf Maja, deren Wunsch nach mehr Zeit für sich der Vereinnahmung durch zwei große und zwei kleine Männer gegenübersteht. Ihr Gefühl, das eigene Wohlbefinden für andere geopfert und letztendlich trotzdem auf ganzer Linie versagt zu haben, wird zum Katalysator für eine Reaktion, die schließlich alle alles infrage stellen lässt.

Im meditativen Ambiente Bornholms betrachtet die circa zehn Jahre jüngere Nina die inneren Ausbrüche ihrer Mitreisenden als Repräsentantin einer neuen Generation. Als Maja sich über Sexualunterricht echauffiert, plädiert sie für Toleranz, wenn sie von Dawids Erziehungsmethoden genervt ist, zieht sie sich zurück, um in Ruhe zu tindern. Der Verdacht, dass auch diese Generation nicht alle Antworten parat hat, wenn es um Geschlechterrollen geht, um die Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und dem Wohlbefinden anderer oder um das, was man, kurz, ein gutes Leben nennen könnte, erhärtet sich schließlich. Doch Fluchthilfe aus festgefahrenen Konflikten bietet sie allemal. Auf den Bornholmer Horizont wird man nach diesem Film anders blicken.

Fucking Bornholm. Spielfilm, 99 Minuten, ab 1. Juni im Kino