Bei Übersetzungen geht etwas verloren. Das gilt in jedem Fall für die Werke von Jane Austen, aber auch für die Netflix-Adaption ihres posthum veröffentlichten Romans „Persuasion“. Ob letzterer Verlust vielleicht in Wahrheit ein kleiner Gewinn ist, diese Frage darf gestellt werden. „I am single and thriving“ erklärt Anne Elliot (Dakota Johnson) zu Beginn des Films in, auf englisch, unverkennbarem Instagram-Sprech. „Jetzt bin ich ledig und es geht mir bestens“ ist in der deutschen Synchronisation daraus geworden – das Konzept der Drehbuchautoren Ronald Bass, der einen Oscar für „Rain Man“ in der Tasche hat, und Alice Victoria Winslow, die hier an ihrem ersten Langfilm gearbeitet hat, geht so nicht auf. Zuschauer, die beider Sprachen mächtig sind, haben also die Wahl zwischen etwas mehr oder weniger Popkultur-Referenz, dem ganz entgehen kann aber auch das deutsche Publikum nicht. „Wenn Sie in London eine Fünf sind, sind Sie eine Zehn in Bath“ heißt es später, die Bewertung bezieht sich natürlich auf das Level der physischen Attraktivität.
Austens Figuren solche Sätze sagen zu lassen, in Kostümen und Sets des frühen 19. Jahrhunderts, mag auf die Universalität der behandelten Themen anspielen. Mitunter wirkt es tatsächlich charmant, vor allem, weil Dakota Johnson es in ihrem Spiel immer mal wieder gelingt, der Coolness, die die Sprache vermittelt, auch eine gewisse emotionale Tiefe zu verleihen. Für einen bleibenden Eindruck geben die Filmemacher ihr aber schlicht nicht genug Futter.
Wie hält man die Gabel, Herr Kapitän?
Anne Elliot gilt als Jane Austens reifste Heldin, ihr werden autobiografische Einflüsse der Autorin nachgesagt, die sich mit 20 in einen Anwalt in Ausbildung verliebt haben soll, so zumindest kann man Briefe an ihre ältere Schwester Cassandra interpretieren. Ihr letzter Roman, wie auch diese neue Verfilmung von „Überredung“, beginnt acht Jahre, nachdem sich die 27-jährige unverheiratete Anne, und als solche auf dem besten Weg zur alten Jungfer, von ihrer großen Liebe getrennt hat. Weil Frederick Wentworth seinerzeit mittellos war, überredete ihre Patentante Anne, von einer Ehe mit ihm abzusehen. Die junge Frau gehorchte, was sie seither jeden Tag bereut. Einen reicheren Anwärter zu ihrer Zufriedenheit hat Anne folglich nicht gefunden, sehr zum Ärger ihrer Familie, die akute Geldsorgen hat, weil bei ihrem Vater (Richard E. Grant) die Scheine entschieden zu locker sitzen. So muss die Familie schließlich ihr Landgut vermieten, ausgerechnet an den Schwager von Frederick Wentworth, der mittlerweile zu einem Kapitän mit beachtlichem Vermögen geworden ist.

In bekannter Manier von Austen-Verfilmungen folgen nun versehentliche Berührungen und sehnsüchtige Blicke en masse. Dafür perfekt gecastet ist Cosmo Jarvis, der eigentlich immer dreinschaut, als hätte man ihn an der Autobahnraststätte an die Leine gelegt. Darauf springen viele Frauen an, darunter auch Annes reizende Schwägerin Louisa (Nia Towle), die sich sogleich in den Kopf setzt, die Gunst des Kapitäns zu gewinnen, indem sie ihn zum Beispiel bittet, ihr zu erklären, wie man ordentlich die Gabel hält, oder, schon anzügiger, den Sextant. „Wentworth hört mit seinem ganzen Körper zu“ schwärmt Anne irgendwann, das bleibt allerdings schon der konkreteste Hinweis auf den Reiz dieses vermeintlich unwiderstehlichen Mannes.
Der Film konzentriert sich stattdessen ganz auf seine Heldin, deren modern ironische Attitüde vielleicht gar nicht so weit von Jane Austen entfernt ist, der es aber zusätzlich dazu an der nötigen Ernsthaftigkeit und Verletzlichkeit fehlt, die Austens Figuren immer auch zugrunde lag. Themen wie Einsamkeit, Reue oder Ohnmacht sind höchstens narratives Beiwerk in dieser mitunter sehr passiv-aggressiven Erzählung über alte und neue Frauenbilder. Originelle Gedanken dazu sucht man hier vergeblich und so bleibt „Überredung“ am Ende kaum mehr als knappe zwei Stunden Eskapismus für verzweifelte „Bridgerton“-Fans, die das Warten auf die dritte Staffel nicht mehr aushalten.
Wertung: 2 von 5 Punkten



