Das fliegende Auge

Die andere geteilte Stadt: Filme aus der italienisch-slowenischen Grenzregion erstmals in Berlin

Zwischen Slowenien und Italien liegen die schönsten Landschaften, die wir in Europa haben. Ein Festival im Krokodil zeigt Filme aus den kulturreichen Grenzregionen

Szene aus dem Film „Trieste è bella di notte“
Szene aus dem Film „Trieste è bella di notte“Kino Krokodil

Dass es nach Kriegsende neben Berlin noch weitere geteilte Städte gab – und sogar noch immer gibt –, blieb hierzulande bislang weitgehend unter dem Radar. Gorizia/Görz, ganz im Nordosten Italiens, wurde 1945 von den Truppen Titos eingenommen. 1947 manifestierte sich die Teilung vertraglich. Die westlichen Teile der Stadt mit dem alten Ortskern blieben italienisch, während die östlichen Vororte jenseits des legendären Isonzo-Flusses Jugoslawien zugeschlagen wurden.

Dank des europäischen Einigungsprozesses ist heute diese Trennung kaum mehr spürbar. Im Gegenteil: Die Doppelstadt Gorizia/Nova Gorica erscheint inzwischen als Musterfall für die Überwindung historischer Wunden. Sie bewarb sich erfolgreich als Europäische Kulturhauptstadt für 2025.

Im Rahmen dieser Ehrung gastiert derzeit ein spannendes Filmprogramm. Sechs lange und zahlreiche kurze Filme zeugen von der bewegten, widersprüchlichen Geschichte und Gegenwart der geteilten Stadt und ihrer faszinierenden Umgebung. Die Retrospektive beschränkt sich dabei nicht auf die politischen Wechselfälle der Region. Schließlich gehören sowohl das italienische Hinterland von Triest als auch der sich bis zur Adria erstreckende Zipfel Südwest-Sloweniens zu den schönsten Gegenden, die wir in Europa haben. Die schon bekannten, teils euphorischen literarischen Beschreibungen von Peter Handke oder Claudio Magris können nun durch Leinwandbilder vervollständigt werden.

Tausende Leichen in Karsthöhlen

Der 1951 gedrehte Kulturfilm „Bora su Trieste“ etwa widmet sich eindrucksvoll dem berühmten Sturm, der immer wieder unvermittelt in die Küstenstadt einfällt. Wem bei Spaziergängen dort schon einmal die vielen Eisengeländer an den Häuserfronten aufgefallen sind, erfährt nun, warum es sie gibt.

Weitere Filme führen in den geheimnisvollen Karst oder an den Grenzfluss Soča/Isonzo, dessen Bett das wohl blaueste Wasser führt, das sich vorstellen lässt. Doch gerade diese Naturschönheiten leiten geradewegs über zu den menschlichen Grausamkeiten, die als Folie über der Idylle liegen. 1945 wurden im Rahmen von Racheaktionen tausende Menschen in die vertikalen Karsthöhlen geworfen und dadurch ermordet, darunter viele völlig Unschuldige. Und der Name des betörenden Isonzo gilt bis heute als Synonym für die zwölf gleichnamigen Schlachten während des Ersten Weltkriegs zwischen Italien und den „Mittelmächten“ Deutschland und Österreich-Ungarn, in deren Rahmen auf beiden Seiten insgesamt mindestens eine Million Soldaten getötet wurden.

All dies schwingt in den Landschaften und kulturellen Zeugnissen, also auch in den Filmen mit. Die meisten von ihnen kreisen um den Zustand der Region ab 1948, nachdem Tito den Bruch mit Stalin vollzogen hatte und einen eigenen „Dritten Weg“ anstrebte, dies anfangs durchaus im innenpolitischen Stil seines Moskauer Rivalen. Später wurde die Gegend zwischen dem nördlichen Istrien und Nova Gorica zum Inbegriff einer gewissen Durchlässigkeit des Eisernen Vorhangs, dies für Konsumgüter wie Menschen. Triest beherbergte viele Jahre lang einen der gigantischsten Schwarzmärkte der Welt. Und vielen politisch Verfolgten oder „normalen Menschen“ des Ostens gelang über diese Schnittstelle die Flucht in den Westen.

Den heitersten Beitrag der Reihe zu diesem Thema liefert Altmeister Karpo Godina (Jahrgang 1943) mit seiner Grenzkomödie „Rdeči boogie“ (Roter Boogie). Erzählt wird die Geschichte einer Gruppe von jungen, dem Jazz und Boogie verfallenen Musikern, die nun die Bewohner der Grenzregion ausgerechnet mit Volks- und Kampfliedern zur Planerfüllung motivieren sollen. Doch die Softpower der westlichen Musik erweist sich letztlich als stärker. Den Zirkel in die weltpolitische Gegenwart zieht „Trieste è bella di notte“ (2023). Porträtiert werden Geflüchtete, die nach der Passage der „Balkan-Route“ in Triest und damit in der EU landeten.

Oriente Vzhod/Occidente Zahod. Noch bis zum 26. Oktober im Kino Krokodil, in Anwesenheit der Kuratorin Mateja Zorn.