Seit zehn Stunden hockt Alice Cooper in einem Raum des Hotel de Rome und ist immer noch bester Laune. Die schwarzen Haare umranden sein hageres Gesicht, seine Augen sind auch tagsüber von Kajal verschmiert. In Berlin ist der „King of Shock Rock“ und passionierte Golfspieler, um sein neues Album „Paranormal“ zu bewerben, das überaus vital klingt für einen 69-Jährigen. „70 ist das neue 40“, sagt Cooper – und man glaubt es ihm aufs Wort.
Mr. Cooper, verraten Sie uns drei Dinge, die man nicht über Sie weiß?
Ich bin Experte im Messerwerfen! Sehen Sie das Poster mit meinem Namen dort hängen? Ich könnte aus der Fünf-Meter-Distanz zehn Messer in dem O von Alice Cooper versenken und noch mal zehn im anderen O. Ich habe es mir über die Jahre auf meinen Tourneen Backstage beigebracht. Das Zweite ist: In der sechsten Klasse gewann ich den „Pony Contest“. Das ist ein spaßiger Tanz mit Drehungen, Seitwärtsschritten... Wer wissen will, wie der Pony aussieht, muss sich nur „Hairspray“ anschauen. Kein Typ war besser als ich in der Disziplin – ich war der Pony-Champion!
Und die dritte Sache?
In Phoenix gehe ich Mittwochmorgens gerne zum Bibelstudium. Wenn der Lehrer nicht auftaucht, was öfter vorkommt, übernehme ich den Unterricht. Meist vermittele ich dann Grundlegendes. Aber ich kenne mich aus: Ich lese jeden Tag in der Bibel und gehe jeden Sonntag in die Kirche.
Werden Sie bei Ihren Kirchgängen auch um Gästelistenplätze für Ihre Shock-Rock-Shows gebeten?
Das kommt vor. Christlicher Glaube bedeutet mehr als nur in der Kirche rumzusitzen. Es ist eine persönliche Beziehung zu Gott. Als ich Christ wurde, sagte ich zum Pastor: „Ich weiß nicht, ob ich weiterhin Alice Cooper sein kann.“ Aber er antworte: „Gott hat dir nicht das Talent gegeben, damit du dich in der Ecke versteckst. Aber folge ihm in deinem Lifestyle. Sei der beste Rockstar, der du sein kannst!“ Ich habe den Alice-Cooper-Charakter angepasst, so dass er nicht im Widerspruch zu meinem Glauben steht. Ich war eh nie satanisch, es war immer eher Comedy auf der Bühne, auch wenn es für Eltern angsteinflößend aussah. Und gegen Theater hat Gott nichts.
Woher kommt Ihre Hinwendung zu Gott?
Meine Eltern waren beide gläubige Christen, aber cool und nicht militant. Mein Vater war Pastor. Mein Großvater war sieben Jahre lang Wanderprediger. Ich bin mit ihren Lehren aufgewachsen und habe das genossen. Doch als Teenager kam die Zeit, wo ich mich so weit davon entfernte wie ich nur konnte. Ich wurde Alice Cooper und verfiel dem Alkohol. Ich wäre fast daran gestorben. Ich hörte den Ruf der Kirche. Ich machte meinen Frieden damit und musste zu dem zurückgehen, was ich kenne.
Und das gab Ihnen Seelenheil?
Seit 35 Jahren habe ich kein Glas Alkohol mehr angerührt, bin nicht im Stripclub gewesen. Seit 41 Jahren bin ich mit meiner Frau Sheryl verheiratet und habe sie nie betrogen. Wir sind sehr glücklich mit unserem Glauben und haben den Spaß unseres Lebens. Das gilt im Übrigen auch für unsere Kinder.
Was machen Ihre Kinder?
Mein Sohn hat eine Heavy-Metal-Band à la Linkin Park – aber mit christlichen Texten. Meine Tochter macht Improvisions-Comedy und ist Sängerin in der Rockband Beasto Blanco. Und meine jüngste Tochter ist Make-up-Artist. Mein Job hat auf meine Kinder abgefärbt. Wir sind eine ziemlich durchgeknallte Familie. Und wir sind alle gläubige Christen.
Könnte der Glaube auch Ihrem Freund Johnny Depp, mit dem Sie als Hollywood Vampires getourt sind, bei seinen Problemen helfen?
Wir haben unser einziges Deutschland-Konzert just an dem Tag gespielt, an dem die schlimmen Schlagzeilen über Johnny und seine Ehe mit Amber (Anm. d. Red. Schauspielerin Amber Heard ist die Ex-Frau von Depp) einbrachen. Johnny sagte nur: „Ich bin so froh, gerade auf Tour zu sein.“ 99 Prozent der Vorwürfe waren eh Bullshit. Er ist der süßeste Typ der Welt, wie mein kleiner Bruder. Genauso wie Joe Perry. Wir hatten einige „Come To Jesus“-Talks. Wir passen aufeinander auf. Für Johnny ist die Band eh die beste Therapie.
Auf Ihrem neuen Album gibt es den Song „Paranoiac Personality“. Dabei scheint es auch um die Paranoia des Promi-Daseins zu gehen.
Klar, wenn du von heute auf morgen ein Celebrity wirst, gibt es die Bedienungsanleitung nicht dazu. Letzte Woche warst du noch ein Niemand, diese Woche hast du eine Nummer Eins, und die Leute schmeißen mit Geld nach dir. So war es bei mir: vom Außenseiter zum Hit-Typen in einer Woche. Dass ich den exzessiven Charakter Alice Cooper irgendwann abgekoppelt habe von meinem Privatleben, hat mich gerettet. Denn Leute wie Jim Morrison, Jimi Hendrix oder Chris Cornell haben versucht, sowohl auf und fernab der Bühne dieselbe Person zu sein. Das kann man nur mit Drogen schaffen. Und das hat sie umgebracht.
Sie sind Golfer. Es war zu lesen, dass Donald Trump 21 Prozent seiner Präsidentschafts-Zeit mit Golfspielen verbracht haben soll. Was sagt das über einen Präsidenten aus?
Das ist die eine Sache, wo ich vollkommen mit Trump übereinstimme. Wenn ich Präsident wäre, wären es wohl 50 Prozent. Trumps Golfplätze sind übrigens echt gut. Wir waren auch schon mal beide bei einem Golfturnier von Michael Douglas eingeladen.
Sagt man nicht, beim Golfspielen merkt man, ob jemand ein Betrüger ist?
Ich habe noch nie einen Golfer getroffen, der nicht betrügt! Wenn du mit deinen Freunden spielst, versucht sich jeder Vorteile zu verschaffen. Wenn um Geld gespielt wird, ist das natürlich etwas anderes. Trump spielte damals in einer Gruppe vor mir, aber ich kam gut mit ihm klar. Er war damals einfach nur Geschäftsmann. Niemals hätte ich gedacht, dass er Präsident werden würde. Aber er wurde gewählt, weil die Leute die Nase voll hatten von Politikern. Viele Leute halten Amerika eh für eine Art Wirtschaftsunternehmen. Also warum nicht gleich jemanden nehmen, der sich mit dem Geschäftemachen auskennt?
Sie sympathisieren mit ihm?
Trump braucht dringend jemanden, der sich um seine Außenpolitik kümmert, so viel ist sicher.