Musik

Freiheit und Chaos: Die Staatskapelle Berlin in der Philharmonie

Unter der Leitung von Rafael Payare zeigte sich die Staatskapelle Berlin auch im Bereich der Avantgarde Weltklasse.

Rafael Payare.
Rafael Payare.Foto: OSM

Das Cellokonzert der in Berlin lebenden, koreanischen Komponistin Unsuk Chin ist ein Werk, das man nach der Aufführung gerne noch einmal hören möchte: Am Freitagabend wurde das monumentale Werk von der Staatskapelle Berlin in der Philharmonie unter der Leitung von Rafael Payare präsentiert, mit Alisa Weilerstein als Solistin. Die Komposition ist intellektuell und emotional zugleich. Es gelingt Chin, viele harmonische, mitunter eingängliche Sequenzen mit chaotische Teilen zu verweben. Man möchte das Werk noch einmal hören, weil sich der Zuhörer an einzelne Passage diffus erinnern kann, die man noch einmal empfinden, vielleicht sogar nachsingen möchte – eher eine Seltenheit bei zeitgenössischen Kompositionen. Die Meisterschaft der Komponistin besteht darin, dass sie nicht synkretistisch oder eklektisch agiert, sondern einen Personalstil entwickelt, der den Zuhörer erreicht. Das ist eine außergewöhnliche Leistung, weil der Mainstream der sogenannten klassischen Musik seit über hundert Jahren zwischen Schönberg und der Filmmusik aus Hollywood mäandern muss. Nur wenigen Komponisten gelingt es, die Freiheit für eine Form zu nützen, die sich vermitteln lässt.

Am Erfolg des freitäglichen Konzerts hat die Alisa Weilerstein entscheidenden Anteil. Sie verstand es, die Effekte eine Botschaft zu verwandeln, mit Hilfe extremer Virtuosität und kammermusikalischer Diskretion. Die Staatskapelle zeigte, dass sie auch bei der Avantgarde ein Orchester von Weltrang ist. Der aus Venezuela stammende Dirigent Rafael Payere dirigierte das komplizierte Werk mit höchster Präzision. Gustav Mahlers Fünfte nach der Pause zeichnete sich durch Entschlackung und tänzerische Leichtigkeit aus. Mahler aus dem Geist des Tangos statt des behäbigen alpenländischen Ländlers. Die Staatskapelle in jeder Orchestergruppe brillant und tief. Das Adagietto nahm Payere schnell und zeigte, dass Substanz keine Frage der Tempos ist. Man möchte diesen außergewöhnlichen Dirigenten gerne mal mit Wagner hören. Er hat die erfrischende Art eines Gustavo Dudamel, dessen Meisterschaft in der Klassik in aller Welt neue Maßstäbe gesetzt hat. Was für ein Glück, dass die Welt der Musik keine Grenzen kennt.