Digitaler Dschihad: Islamisten machen Online-Propaganda

Die Gruppe Islamischer Staat (IS), deren Kämpfer in den vergangenen Wochen weite Teile des Nord-Iraks unter ihre Kontrolle gebracht haben, bemüht sich um ein neues Image. Bisher setzte sie vor allem auf Einschüchterung ihrer Feinde. In sehr brutalen Videos wurden Enthauptungen und Steinigungen von Kriegsgefangenen in Nahaufnahme gezeigt. Mit der Ausrufung des islamischen Kalifats durch den Führer der Kampftruppe, Abu Bakr al-Bagdadi, scheint der Kampf und damit auch die Medienarbeit der Gruppe indes in eine neue Phase übergegangen zu sein.

So präsentierte sich al-Bagdadi, den man bisher nur von einem unscharfen US-amerikanischen Fahndungsfoto kannte, vergangene Woche erstmals in einem Video. Ein freundlicher, jedoch entschlossener Mann mit Turban und Vollbart. Als Kalif erhebt er den Herrschaftsanspruch über alle Muslime, und so wandte er sich auch an die Gemeinschaft der Gläubigen in der ganzen Welt. Statt ausschließlich um Kampf geht es al-Bagdadi nun um Staatsaufbau.

Wohl um diesen Anspruch zu untermauern, hat nun die bekannte Medienagentur al-Hayat, die zuvor auch viele der Gräuel-Videos veröffentlichte, eine Online Zeitschrift auf den Markt gebracht mit professionellem Layout und ansprechenden Fotostrecken. Die Zeitschrift Dabiq erinnert an das Magazin Inspire, das vor einigen Jahren ebenfalls aus dem Umfeld der Al-Kaida auf den Markt gebracht wurde. Wie Inspire ist auch Dabiq in englischer Sprache verfasst und richtet sich ganz offensichtlich überwiegend an Muslime aus dem Westen.

Magazin Dabiq, nach Ortschaft nahe Aleppo

Der Name der Zeitschrift ist zugleich ihr Programm: Dabiq ist der Name einer Ortschaft nahe Aleppo in Syrien. Sie spielt in der islamischen Geschichte und auch heute eine wichtige Rolle. So taucht der Name Dabiq in verschiedenen Überlieferungen des Propheten Mohammed auf. Hier werde eine Entscheidungsschlacht zwischen den Muslimen und ihren Feinden stattfinden, soll er gesagt haben. Tatsächlich kam es 1516 zur Schlacht, und die Osmanen vertrieben die Mamluken, die mit ihren Söldnerarmeen weite Teile der arabischen Welt beherrscht hatten.

Im Editorial der Zeitschrift wird auch Abu Musab al-Zarkawi erwähnt. Der 2006 von US-Truppen getötete Führer der Al-Kaida im Irak, der von IS-Anhängern als Held verehrt wird, habe mehrfach eine Überlieferung des Propheten zitiert: „Der Funke wurde im Irak entflammt und wird weiter entflammen und stärker werden, bis schließlich die Armeen der Kreuzritter in Dabiq geschlagen werden.“

Nicht nur wird hier der Terrorführer in einem Atemzug mit Mohammed genannt – es ergibt sich auch der Bezug zur aktuellen Lage: „Dabiq steht derzeit unter Herrschaft der von den Kreuzrittern unterstützten Sahwa.“ Übersetzt bedeutet dies, dass Dabiq unter Kontrolle der Freien Syrischen Armee steht. Diese aus Dabiq zu vertreiben, wird in dieser Logik zur religiösen Pflicht der heutigen Muslime.

Traum vom Märtyrertod

Die Vermischung von Geschichte und Gegenwart, Glauben und Realität ist typisch für die Propaganda der radikalen Dschihadisten und trifft den Geschmack der Anhängerschaft in Europa. Experten nennen sie Pop-Dschihadisten und bezeichnen damit eine neue Generation radikaler junger Muslime, die beim Spielen von Ego-Shooter- und Fantasy-Games vom eigenen Märtyrertod träumen. Dabiq will jedoch nicht nur sie ansprechen. Es geht offensichtlich darum, den Unterstützerkreis in bürgerlichere Kreise zu erweitern.

Geworben wird mit Bildern verwegener Kämpfer, die in den Gebieten, die von der IS im Irak und in Syrien erobert wurden, mit Jubel empfangen wurden. „Eine neue Ära ist angebrochen: Macht und Würde für alle Muslime“, lautet die Schlagzeile darüber. Mit der Ausrufung der Khalifats durch Abu Bakr al-Bagdadi werde der Traum vom islamischen Staat verwirklicht; das Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem Westen, der ewige Minderwertigkeitskomplex – das alles sei nun überwunden.

Es folgt ein Aufruf an alle Ärzte, Ingenieure und andere Experten, in den Irak überzusiedeln und beim Aufbau des Khalifats zu helfen. „Wir erinnern sie daran, dass ihr Gott fürchten sollt. Die Auswanderung ist eine religiöse Pflicht“, so der Aufruf.