Von Frühling bis Spätherbst 1963 verbraucht der unermüdliche Pier Paolo Pasolini meterweise Filmband, während er Italien von Süden nach Norden durchquert, nur um Arbeiter, Bauern, Studenten, Fußballer, Soldaten, Bourgeois und andere Verdammte dieser Erde nach Sex, Ehe, Scheidung, Prostitution usw. zu befragen.
In jenem Jahr 1963 – fünf Jahre bevor Studenten die Universitäten besetzen und einige von ihnen in Rom Polizisten verprügeln würden, die Pasolini später in seinem Gedicht „Il PCI ai giovani“ auf so wunderbare Weise gegen die bürgerlichen Studenten verteidigt – fragt er zu Beginn des Films „Comizi d’Amore“ irgendwo in Sizilien eine Gruppe Jungen, ob sie wissen, wie Babys gemacht werden. Die Jungen, nicht mehr allzu klein, kichern und tun wichtig, und als sich endlich der Mutigste unter ihnen meldet, um mit seinem Wissen zu glänzen, kommen die Antworten. Babys, so glauben die sizilianischen Jungen des Jahres ’63, kommen aus einer Blume, die die Hebamme bringt, sie werden von Jesus gebracht, manchmal auch vom Onkel, vom Storch usw.
Während ich Pasolinis Dokumentarfilm anschaue – besonders die Teile, die im verbrannten, armen Süden gedreht wurden (den eine Mailänder Dame auf ihrer Liege am Pool als „einen anderen Planeten“ bezeichnet) –, fällt es mir schwer, Parallelen zum Patriarchat des westlichen Balkans zu vermeiden, das ich sehr gut kenne. Besonders dessen montenegrinischen Zweig, wo ich geboren und aufgewachsen bin, nur gut 100 Seemeilen von der süditalienischen Region Apulien entfernt, die auch Pasolini durchquert und gefilmt hat.

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