Interview

Jens Bisky: „Das BSW ist keine leninistische Partei, wie oft behauptet wird“

Jens Bisky seziert das Ende der Weimarer Republik. Er konstatiert damals wie heute den Irrglauben, Probleme würden im Laufe der Zeit von selbst verschwinden. Ein Interview.

Der Autor Jens Bisky: „Ständig den Untergang der Demokratie zu beschwören und dann weiterzumachen wie gehabt, scheint mir kaum vernünftig.“
Der Autor Jens Bisky: „Ständig den Untergang der Demokratie zu beschwören und dann weiterzumachen wie gehabt, scheint mir kaum vernünftig.“Gerhard Leber/imago

In seinem Buch „Die Entscheidung. Deutschland 1929–1934“ widmet sich Jens Bisky dem Untergang der Weimarer Republik und dem Aufstieg der Nationalsozialisten. Das historische Werk scheint vermehrt von der Gegenwart eingeholt worden zu sein – zuletzt widmete sich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) einem Abschnitt aus dem Buch anlässlich des Endes der Ampel im Streit über den Haushalt: Denn auch 1930 platzte eine SPD-geführte Koalition, weil Kanzler und Finanzminister sich nicht einig wurden. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung führt Bisky aus, inwiefern die Gegenwart an Weimar erinnert – und warum er Vergleiche mit dieser Zeit dennoch oft als frivol empfindet.

Herr Bisky, in Ihrem Buch zum Ende der Weimarer Republik gibt es immer wieder Stellen, die heutige Leser aufhorchen lassen. Manche davon erinnern an aktuelle Ereignisse, die Sie beim Schreiben noch gar nicht kennen konnten. Fühlen Sie sich bei Ihrer Beschreibung der Vergangenheit manchmal von der Gegenwart eingeholt?

Ich hatte beim Schreiben des Buches oft das Gefühl, das kenne ich doch alles, das ist mir vertraut. Wenn man versucht zusammenzufassen, wie die Weimarer Republik Ende 1929 dasteht, dann sieht man: Es demonstrieren Bauern mit ungeheurer Wut, es formiert sich eine nationale Opposition, die der Republik den Garaus machen will. Es protestieren Unternehmer und Wirtschaftsverbände gegen zu hohe Ausgaben des Staates, gegen die in ihren Augen viel zu üppig ausgestatteten Sozialkassen. Und es taucht eine Haushaltslücke auf und keiner weiß, wie man dieses Defizit decken könnte – darüber zerstreitet sich die Koalition. Das ist so in etwa die Situation am Jahreswechsel 1929/30. Wer sich dann an den Jahreswechsel 2023/24 erinnert, der wird denken: Da ist einiges wieder wie damals. Auf der anderen Seite muss man aber sofort sagen: Das sind partielle Analogien. Insgesamt ist die Situation heute eine völlig andere.

Berliner Zeitung

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