Genau fünf Minuten nach Mitternacht erschien die 5 MB dicke pdf-Datei mit den 685 Seiten des neuen Romans von Dan Brown in meinem Mailbriefkasten. Wenn man das Datum, den 14.5.13, amerikanisch, also 5-14-13 und von hinten schreibt, ergibt sich die Zahlenfolge 31415. Das ist pi, die Zahl, aus der sich Umfang und Fläche von Kreisen berechnen lassen. Und natürlich ist es kein Zufall, dass Dan Browns neuer Weltverschwörungsthriller an diesem Tag in elf Sprachen gleichzeitig auf den Markt kam.
Wenn man pi multipliziert mit fünf nach 12, ergibt sich in etwa die Brownsche Formel für unendliche Spannung aus einem haarsträubenden Plot, der mit kunst- und literaturhistorischen Versatzstücken in unterhaltsamste Bildungsnachhilfe eingebettet ist.
Browns „Inferno“ schlachtet genüsslich zitierend das gleichnamige Langgedicht von Dantes Göttlicher Komödie aus, und alpträumt sich durch die fiesesten Folterszenen von Botticellis „Karte der Hölle“. Zu diesem Behuf hetzt der amnesisch lädierte Symbolforscher Robert Langdon in Begleitung der blonden Intelligenzbestie Sienna durch die Buchsbaumlabyrinthe der Medicis in Florenz, entziffert auf Renaissancegemälden höllische Ikonografien und versteckte Zeichensysteme, um den heimtückischen Bevölkerungsdezimierungsplan eines größenwahnsinnigen Bösewichts zu vereiteln.
Kalkulierte Alchemie der Unterhaltung
Ein milliardenreicher Biochemiker, der sich von einem florentinischen Turm ins Nirwana gestürzt hat, hat sein pestilenzartiges Geheimnis nämlich in einer Art Dante-Code versteckt. Den darf der smarte Kryptologe Langdon also knacken und damit es nicht zu beschaulich wird, hangelt er mit der schönen Sienna auf der ständigen Flucht vor Überwachungsdrohnen gemeiner Regierungsagenten und den Schnellschussknarren punkiger Killerbienen von Kliffhänger – „Robert, wir haben ein Problem!“ – zu Kliffhänger.
Wie in einem Europe-In-One-Day-Trip hetzt sich das oberschlaue Traumpaar durch alle touristischen Sehenswürdigkeiten von Florenz, Venedig und Istanbul. Das gibt dem mit einer Kunsthistorikerin verheirateten „Umberto Eco für bildungsferne Schichten“ nebenbei reichlich Gelegenheiten, dem Thrillerlesevolk etwas kulturhistorischen Mehr- und Nährwert unterzujubeln.
Trivial ist daran eigentlich nur, dass Browns Alchemie der Unterhaltung so kalkuliert, so simpel und so irre erfolgreich ist.