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Da müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion

Unsere Kulturredaktion hat für Sie Eventkalender durchforstet und ein paar Ideen zusammengestellt. Diesmal: von rauschhafter Oper bis zur Performance über Creeps.

Uroš Pajović / BLZ

Und jährlich grüßt die Weihnachtsgans

Friedrich Wolf ist 1888, einen Tag vor Heiligabend, als Sohn eines jüdischen Kaufmanns auf die Welt gekommen. Er studierte Medizin, wurde Schiffs- und im Ersten Weltkrieg Truppenarzt, arbeitete als Homöopath und Naturheilkundler, bevor er Schriftsteller und Dramatiker wurde. Und Kommunist. Er emigrierte in die Sowjetunion, wollte in Spanien kämpfen, wurde in Frankreich interniert, konnte nach Moskau fliehen, kehrte nach Deutschland zurück und baute die Kultur in der DDR mit auf, bis er 1957 in seinem Haus in Lehnitz an einem Herzinfarkt starb. Und da ist noch nichts über das wechselvolle Privatleben erzählt.

Die Weihnachtsgans Auguste
Die Weihnachtsgans AugusteSandra Hermannsen

Es ist möglicherweise nicht ganz in seinem Sinne, dass neben großen Dramen ausgerechnet die kleine Geschichte von der Weihnachtsgans Auguste zu seinem berühmtesten Werk wurde. Aber letztlich steckt Sprengstoff darin, denn es geht um nicht weniger als einen Kampf der Kulturen, der bis heute mindestens alle Festtage zwischen den Generationen ausgefochten wird: Noch immer ist die Macht der Tradition, die das Rupfen, Hinschlachten und Verspeisen von unschuldigen, aber wohlschmeckenden Federvögeln erlaubt, ungebrochen. Aber die Jungen begehren auf, weil sie dem Tier einen Namen geben und in den empathischen Dialog treten. Das Ensemble Artisanen hat das Werk für die Schaubude adaptiert. Wer mit seinen Kindern hingeht, kommt möglicherweise mit Vegetariern wieder nach Hause. Ulrich Seidler

Die Weihnachtsgans Auguste. Täglich mehrere Vorstellungen am Wochenende in der Schaubude, Greifswalder Straße 181. Karten und Informationen unter www.schaubude.berlin


Ein Haus für Kunst und Theater: das Refugium von Achim Freyer

Vor zehn Jahren eröffnete der weltberühmte Maler, Bühnenbildner, Opern- und Theater-Regisseur und Kunst-Sammler Achim Freyer, Jahrgang 1934, sein „Kunsthaus“ in Lichterfelde-West. Der einstige Brecht-Schüler macht mit seiner Stiftung seitdem seine denkmalgeschützte Gründerzeitvilla mit Galerie und einer der außergewöhnlichsten Privatsammlungen Berlins – mit mehr als 2300 bildnerischen Werken der Moderne – einem breiten Publikum zugänglich.

In Achim Freyers „Wunderkammer“-Kunsthaus in Lichterfelde
In Achim Freyers „Wunderkammer“-Kunsthaus in LichterfeldeGunter Lepkowski

Doch es geht ihm nicht nur um seine eigene Kunst. Er ist auch Förderer. Seit 2012 haben über 300 Künstlerinnen und Künstler im Haus ausgestellt. Freyer nennt die Präsentation „Wunderkammer der Kunst“ und er sagt: „Es ist mein Anliegen, das Haus zu einem besonderen Kunst-Ort zu machen, einer Forschungsstätte für Kunstwissenschaftler, Künstler, Studierende und eine interessierte Öffentlichkeit; vor allem aber – durch die Diversität der angesammelten Werke – zu einer „Schule des Sehens“ sowie einem Ort der Integration und Toleranz und jenseits von kulturellen, ethnischen, religiösen Aspekten.“ Freyer selbst hat sieben Jahrzehnte Malerei aufzuweisen: dramatisch, expressiv, surreal, poetisch, erzählerisch und immer packend. Ingeborg Ruthe

Kunsthaus der Achim-Freyer-Stiftung, Kadettenweg 53, Berlin-Lichterfelde, So. 15–18 Uhr sowie Di. und Do., Führungen bitte nach Anmeldung Tel.: 833 93 14


Ein rauschhafter Abend an der Komischen Oper: „Die Perlen der Cleopatra“

Wer diesen rauschhaften, lustvollen Abend noch nicht gesehen hat, sollte sich unbedingt um eine Karte für die vier letzten Vorstellungen in dieser Spielzeit bemühen. Um den Eintritt in die Operette „Die Perlen der Cleopatra“ an der Komischen Oper, Regie Barrie Kosky. Die berlinernde Cleopatra gibt die unvergleichliche Dagmar Manzel. Geschrieben hat die Operette im Jahr 1923 der Wiener Komponist Oscar Straus. Und Barrie Kosky, bis zur vergangenen Spielzeit Intendant des Hauses, hat sie ausgegraben, so wie auch einige andere Operetten aus der Weimarer Republik. Das von Art déco inspirierte Bühnenbild fast ganz in Schwarz-Weiß stammt von Rufus Didwiszus, für den musikalischen Schwung sorgt der Dirigent Adam Benzwi, für Ekstase die Tänzer von Otto Pichler. Das Toben auf der Bühne überträgt sich aufs Publikum. Wenigstens drinnen tobt man unablässig mit. Susanne Lenz

Die Perlen der Cleopatra. Komische Oper Berlin, Karten: www.komische-oper-berlin.de. Vorstellungen am 16., 28. und 31. Dezember, letzte Vorstellung in dieser Spielzeit am 6. Januar 2023


„Dem Himmel so nah“ auf dem Tempelhofer Feld

Eine Mischung aus Lichtinstallationen, Gedichten und Geschichten, Theatervorführungen und Skulpturen versprechen die Verantwortlichen des Theaters Anu für die letzten zwei Wochen des Jahres auf dem Tempelhofer Feld. Durch einen leuchtenden Parcours sollen die Besucher auf eine Reise geschickt werden, „zu den letzten Fragen, zu Anfang und Ende, zu dem Kind, das wir einst gewesen sind“. Na, wenn es weiter nichts ist! Schön wird es bestimmt, und los geht es jeweils um 18 und um 19 Uhr an insgesamt zehn Tagen. Eine Stunde sollte man sich Zeit nehmen, die Tickets kosten 18 Euro. Wer sich das nicht leisten kann, darf eine kurze Mail an info@theater-anu.de schreiben, ohne Erklärung, und hat damit die Chance auf ein Ticket aus dem Freikartenkontingent. Claudia Reinhard

Vor Weihnachten dürfen die Engel nicht fehlen. 
Vor Weihnachten dürfen die Engel nicht fehlen. Theater Anu

Dem Himmel so nah. Tempelhofer Feld zwischen Tempelburger und Luftgarten, 16. bis 18. Dezember, 21. bis 23. Dezember sowie 27. bis 30. Dezember von 18 bis 20.30 Uhr -> Termine und Tickets


Creeps in Kreuzberger Projekträumen

Der Creep hatte immer schon einen schlechten Ruf. Wenn man den Begriff jedoch vor ein paar Jahren noch halbwegs neckisch für jemanden verwenden konnte, der halt einfach einmal zu oft anruft, weckt er spätestens seit #MeToo immer auch eine Dimension von Übergriffigkeit oder gar sexueller Gewalt. Er stammt bekanntlich vom Englischen „to creep“ ab: vom heimlichen Umherschleichen, vom Sich-Aufdrängen, ohne entdeckt zu werden. Ein Creep ist einer, der bei anderen ein Gefühl des Unbehagens und der Angst hervorruft. Er beschreibt das ultimative Gegenstück dessen, was man beim Dating sein möchte. In Melanie Jame Wolfs Performance „The Creep“ im Projektraum feldfünf im Metropolhaus (gegenüber dem Jüdischen Museum Berlin) geht es jetzt darum, jene unheimliche Figur in all ihren Schattierungen zu durchdringen. 

Es handelt sich genauer genommen um eine Choreografie zwischen zwei Figuren – einem Cowboy und einem Berg. Ausgehend von Walter Benjamins Konzept der „mythischen Gewalt“, wonach faschistische Autorität dadurch akkumuliert wird, dass sie sich als eine Art Ur-Wahrheit darstellt, untersucht die Künstlerin das Unsichtbare und Heimtückische, Doppeldeutige und Unheimliche der Creep-Figur. Das Ganze wird im Projektraum feldfünf parallel von einer Ausstellung begleitet, die dieses Wochenende eröffnet und noch bis Ende des Monats läuft. Hanno Hauenstein

The Creep. feldfünf-Projekträume, Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 7–8. Performance diesen Samstag und Sonntag, jeweils um 16 Uhr.


Party: 45 Jahre SchwuZ

Kaum zu glauben: Das Berghain ist gerade erst zarte 18 geworden. Dagegen ist das SchwuZ (kurz für: Schwulen-Zentrum) mit seinen 45 Jahren ein stattlicher Daddy. Und Deutschlands größter Queer-Club, entstanden 1977 aus der schwulen Bewegung heraus, die durch Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) in Gang kaum – freilich auch in West-Berlin.

SchwuZ
SchwuZGuido Woller

Gewissermaßen ist das SchwuZ für Berlin nach wie vor sehr untypisch: kein klassischer Techno-Laden, sondern eine Kathedrale (so heißt der größte Floor hier auf dem Neuköllner Rollberg) für den Pop. Wer allergisch ist gegen das gemeinsame Mitkreischen von Madonna-Songs, wird hier womöglich nicht so happy. Wer aber nur denkt, allergisch gegen gemeinsames Mitkreischen von Madonna-Songs zu sein (ohne es je ausprobiert zu haben), sollte es vielleicht einfach mal tollkühn wagen. Und warum nicht auch bei der 45-Jahres-SchwuZ-Sause am Samstag? Stefan Hochgesand

SchwuZ Rollbergstraße 26, Freitag, 16.12., 21 Uhr, 17 Euro