Kolumne

An der Kasse in Neukölln: Jetzt glaubt sogar der Kapitalismus nicht mehr an Corona

An der Kasse eines Drogeriemarkts in Berlin-Neukölln ereignete sich eine Art kapitalistischer Extremfall. Es geht um Corona-Tests. Bricht jetzt der Kommunismus aus?

Werden inzwischen sogar verschenkt: Corona-Schnelltests.
Werden inzwischen sogar verschenkt: Corona-Schnelltests.Benjamin Pritzkuleit

Corona gehört wenigstens im Alltag der Vergangenheit an. Menschen, die in großer Zahl Corona-Masken tragen, sieht man heute höchstens noch auf Pro-Palästina-Demonstrationen, weil man damit das Vermummungsverbot umgehen kann. Die Corona-Warn-App wurde bereits vor einem Jahr in den offiziellen Ruhemodus versetzt, der Späti in meiner Nachbarschaft, der mal ein Testzentrum war, hat längst wieder seine ursprüngliche Funktion.

Als das Kind nun mitteilte, es habe bei Rossmann an der Kasse zwei Corona-Tests geschenkt bekommen, wie alle anderen Kunden auch, dachte ich: Nun glaubt sogar der Kapitalismus nicht mehr an Corona. Das eherne Gesetz von Angebot und Nachfrage ist hier ins Äußerste getrieben, wenn nicht sogar außer Kraft gesetzt. Aus Konsumenten wurden Beschenkte.

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Wie man im Grundkurs Ökonomie lernt: Der Gebrauchswert einer Ware hängt stark von den Bedürfnissen der Menschen ab. Wenn das Bedürfnis (sich zu testen) nicht mehr da ist, muss man es auch nicht mehr befriedigen, dann ist die Ware nicht mehr nützlich und hat keinen Tauschwert mehr. Das heißt, niemand würde mehr Geld dafür bezahlen.

Ware-Geld-Kreislauf: Corona-Tests sind raus

Normalerweise sinken dann erstmal die Preise, irgendwann wird so ein Artikel aus dem Sortiment genommen. Dass Ladenhüter verschenkt werden, kommt eigentlich nicht vor. Das ist einfach nicht kapitalistisch. Die Ausnahme sind Lebensmittel, dann aber meist vermittelt, etwa durch die Berliner Tafel, die Bedürftige speist.

Dass man etwas, das mal Ware war, wie eben die Corona-Tests, ausgerechnet dort herschenkt, wo sich der Ware-Geld-Kreislauf manifestiert, an der Kasse nämlich, ist der Extremfall. Etwas Außergewöhnliches.

Das war dem Kind offenbar intuitiv klar, auch wenn es von Ökonomie nicht viel versteht und Karl Marx vor allem durch die Berliner Straßen kennt, die nach ihm benannt sind. Sonst hätte es nicht umgehend eine Aufnahme der beiden Tests, versehen mit einer Information über ihre ungewöhnliche Herkunft, in den Familienchat gestellt.