Weil Pressekonferenzen normalerweise so gar nicht in eine Zirkuswelt passen, hat man sich bei Roncalli etwas besonderes ausgedacht. Die Konferenz an diesem Mittwoch beginnt mit nostalgischer Musik und wirbelndem Konfetti, es gibt einen Wagen mit gebrannten Mandeln und einen mit Zuckerwatte, sechs kleine Mädchen balancieren auf riesigen Bällen, sie jonglieren, schlagen Räder, verbiegen sich. Sie sind Schülerinnen der Staatlichen Artistenschule Berlin, der Nachwuchs. „Es ist ganz wichtig, dem Nachwuchs eine Chance zu geben“, sagt Zirkusdirektor Bernhard Paul, der wie immer ganz in Schwarz inmitten all des Glitters sitzt.
Paul ist aus Linz angereist, um das neue Programm von Roncallis Weihnachtscircus vorzustellen. Dabei helfen ihm ein Astronaut in einem weißen Raumanzug, der so aussieht wie Neil Armstrong, doch tatsächlich ist er Akrobat, der mit weiteren Akrobatenastronauten eine Luftnummer aufführen wird. Anlass ist der 50. Jahrestag der Mondlandung im nächsten Juli. Auch der Weißclown Gensi ist anwesend, „er ist Katalane, weiß aber nicht mehr, ob er Spanier ist oder selbstständig“, wie Paul auf seine Art erzählt, zum 7. Mal trete er bereits in Berlin auf.
Erstmals wird er dabei begleitet von Chistirrin, einem 28 Jahre alten Mexikaner. Zu deutsch bedeutet sein Name kleiner Witz. Paul hat ihn in einem kleinen Zirkus in Spanien entdeckt, wo Chistirrin zusammen mit seinem Vater auftrat. Auch der ist Clown, der Großvater war es schon, zum allerersten Mal stand Chistirrin in der Manege, als er vier war. Wo war das? „In den USA“, sagt Chistirrin, „im Zirkus Vasquez. Das ist ein Zirkus für die Latinos in Nordamerika.“ So ist nun auch der politische Bogen geschlagen.
Chistirrin, ein Clown mit Fanpost
Bernhard Paul ist es wichtig, „am Puls der Zeit“ zu sein, das betont er immer wieder gerne. Zum 15. Mal gastiert der berühmte Weihnachtszirkus in diesem Jahr in Berlin, denn Berlin ist so etwas wie die deutsche Zirkushauptstadt, doch zum ersten Mal wird es keine Tiere mehr geben. „Wir sind der erste tierfreie Zirkus und machen das, weil wir Tiere lieben und nicht, weil wir sie nicht leiden können“, sagt Paul. „Aber anders als die Tierrechtsorganisation PETA es darstellt, werden Tiere in keinem Zirkus gequält. Doch die Stadt ändert sich, wo früher grüne Wiese war, ist heute Asphalt. Wir machen nun das, was eigentlich längst überfällig war.“ Es werde zum ersten Mal auch kein Plastikgeschirr geben und vegane und vegetarische Speisen.
Gensi und Chistirrin singen nun noch ein Lied, es heißt „Payaso“. Die ersten Worte lauten: Ich bin ein trauriger Clown. Es ähnelt in seiner Melancholie dem deutschen Zirkuslied „Oh mein Papa“, doch es ist eindeutig hispanisch. „Wir Clowns singen das, weil du ein gebrochenes Herz haben musst, wenn du das Publikum zum Lachen bringen willst“, erklärt Chistirrin. „Es soll uns daran erinnern, wie wertvoll ein Lachen ist.“ Dabei muss man Chistirrin nur wenige Minuten bei seinen Faxen beobachten und man muss lachen. Er ist wirklich sehr komisch.
Neben ihm steht seine Verlobte Ghyslaine Parada, 27, aus Chile. Sie ist Tänzerin, tritt im Showballett von Roncalli auf und erzählt, dass Chistirrin jede Menge Fanpost bekommt. Seit er im Mai in Düsseldorf aufgetreten ist, habe er sogar einen Fan, der ihm hinterherfährt. Ein sechs Jahre alter Junge, der seither begleitet von seinen Eltern zu Vorstellungen in alle Städte reist. Er sitzt dann geschminkt wie Chistirrin im Publikum. Vielleicht ist das ja Nachwuchs.