Für viele Berliner hat der Mercedes-Platz ja immer etwas Apokalyptisches, doch am vergangenen Montagabend nahm diese Stimmung neue Ausmaße an. Sturmböen fegten vor der Arena über das Fontänenfeld, wo sonst Kinder und schwitzende Erwachsene über die Düsen springen. Menschen hielten ihre Sommerhüte fest, kniffen die Augen zusammen, um sie vor Staub und Dreck zu schützen, flüchteten, angetrieben vom lauter werdenden Donnergrollen, in die Systemgastronomie um sie herum.
Kenner der Welt des amerikanischen Fantasy-Autors George R. R. Martin wissen: Auf der Insel Dragonstone ist ständig so ein Wetter. Keine schlechten Voraussetzungen also, um die neue Serie aus dem „Game of Thrones“-Universum vorzustellen, auch wenn die Firma Sky sich sicher mehr Fotos von Fans vor dem eigens für die Premiere auf den Platz gelegten Drachenei gewünscht hätte.

Das schuppige, rot angeleuchtete Gebilde blieb dann aber wegen des bald niederprasselnden Regens weitgehend unberührt, genau wie die schwarzen Banner mit dem roten dreiköpfigen Drachen, dem Signum des Hauses Targaryen, dessen Geschichte in der Prequel-Serie „House of the Dragon“ erzählt wird. Im UCI Luxe Kino übertrug Sky, wohl auch um den frisch umgetauften Streamingdienst „WOW“ zu bewerben („Streaming war noch nie so WOW“) die Berichterstattung vom roten Teppich bei der Premiere in London, wo Sänger und Moderator Patrice neben der Shakespeare-Statue am Leicester Square mit Cast und Crew sprach.
Man muss „Game of Thrones“ nicht gesehen haben
Das Berliner Publikum enttäuschte etwas mit seiner hohen Influencer- und niedrigen Fan-Quote, weit und breit waren keine Gewänder, platinblonde Perücken oder Stoffdrachen zu sehen. Jeder zweite Befragte vor dem WOW-Mikrofon im UCI gab zu, noch nie eine Folge von „Game of Thrones“ gesehen zu haben. „Gar kein Problem“ lautete stets die Antwort, schließlich spiele die neue Serie circa 200 Jahre vorher und sei daher der perfekte Einstieg.
Die erste einstündige Folge hielt dieses Versprechen dann auch. Stilistisch ist die Serie vom Original nicht zu unterscheiden, was die meisten Fans freuen dürfte, genau wie die deutlich höhere Drachendichte. Diese werden im kommenden Herbst nicht nur um die Herrschaft über Westeros, sondern auch den Streaming-Markt kämpfen. Am zweiten September schickt Jeff Bezos ihnen bei Amazon Prime die Tolkien-Adaption „Die Ringe der Macht“ entgegen.
