Die Woche auf dem Boulevard

Anja Rützels Kolumne: Auf Psychokitsch-Kaffeefahrt

Cathy Hummels hält Depressionen für Lifestyle-Tinnef, und ein Idol aus den Sorglosjahren verabschiedet sich: die Woche auf dem Boulevard mit Anja Rützel.

Banalität des Blöden: Cathy Hummels, Influencerin und Ex-Spielerfrau.
Banalität des Blöden: Cathy Hummels, Influencerin und Ex-Spielerfrau.Imago

Frau Rützel, wer hat Sie diese Woche wütend gemacht?

Cathy Hummels und diverse andere Influencerinnen in ihrem Kielwasser. Mit ihnen ist sie nämlich zu einem „Strong Mind Retreat“ nach Rhodos geflogen, um dort in einem Luxushotel „die mentale Gesundheit zu stärken“. Angeblich wollte sie mit dieser Aktion dazu beitragen, die Themen Depression, Panikattacken und ähnliche psychische Krankheiten weiter zu normalisieren – tatsächlich wurden im Verlauf des Retreats von den Beteiligten vor allem Rabattcodes für diversen Lifestyle-Tinnef rausgehauen. Damit suggerierte Hummels natürlich, dass man nur lustig konsumieren und dazu ein bisschen an die frische Luft gehen müsse, um sich von derlei Zuständen eins-zwei-fix selbst zu heilen. Diese brandgefährliche Banalisierung machte mich wirklich sehr zornig. Auch die Deutsche Depressionsliga distanzierte sich von der Psychokitsch-Kaffeefahrt und schrieb in ihrem Statement: „Depression ist weder schick noch en vogue.“

Hoffentlich macht Ihnen dafür wenigstens Mike Tindall Freude. Der englische Ex-Rugbynationalspieler und Ehemann der Queen-Enkelin Zara sitzt ja seit Sonntag im britischen Dschungelcamp. Verfolgen Sie, wie er sich dort schlägt?

Selbstverständlich, und ich bin bis jetzt sehr zufrieden mit seiner Performance. Während die Insassen des deutschen Camps in den vergangenen Jahren ja immer bräsiger und maulfauler wurden, plapperte Tindall schon am zweiten Camptag heiter aus, dass gleich das erste Mittagessen-Date mit seiner zukünftigen Frau in einem Besäufnis geendet sei: „Da haben wir herausgefunden, dass wir uns beide gerne volllaufen lassen. Das war ein guter Anfang.“ Bei anderer Gelegenheit erzählte er, wie sein jüngster Sohn ungeplant auf dem Badezimmerboden auf die Welt kam. Zara habe dabei solche Schmerzen gehabt, dass auch der gebärmäßig passive Mike in Mitleidenschaft gezogen wurde: „Sie hat mich fast totgewürgt“, erzählte er im Camp, „aber da kannst du doch nichts sagen, oder? ,Kannst du loslassen, du tust mir wirklich weh?‘“. In den nächsten Tagen dürfte es im Camp noch spannender werden, weil etwas verspätet auch der ehemalige britische Gesundheitsminister Matt Hancock eingezogen ist, der wegen seiner Corona-Politik sehr unbeliebt ist. Mike Tindall bezeichnete schon kurz nach Hancocks Einzug irgendwelche Einlassungen von ihm als „Bullshit“, das kann noch lustig werden.

Sehr traurig ist leider eine andere Promi-Meldung der Woche: Andy Taylor, der           ehemalige Gitarrist von Duran Duran, ist unheilbar an Krebs erkrankt.

Das hat mich wirklich sehr getroffen, denn natürlich habe ich Duran Duran in den Achtzigern sehr geliebt und tue das bis heute. Vergangenes Wochenende wurde die Band in die Rock-‚n‘-Roll-Hall-of-Fame in Los Angeles aufgenommen, und bei diesem Anlass las Sänger Simon Le Bon einen Gruß von Andy Taylor an die Fans vor, denn er ist bereits zu schwach, um selbst anreisen zu können. Es ist nicht leicht mit anzusehen, wenn es nun nach und nach die Helden aus den eigenen Sorglosjahren trifft, die man doch immer noch wunderschön und blitzjung vor Augen hat.

Rainn Wilson, bekannt als kauziger Dwight Schrute aus der Serie „The Office“, hat vergangene Woche seinen Namen geändert und heißt jetzt Rainnfall Heat Wave Extreme Winter Wilson – gute Idee oder doch minimal umständlich?

Ich liebe alles an dieser Aktion, obwohl ich schon seinen vollen Ausgangsnamen Rainn Percival Dietrich Wilson ziemlich beeindruckend finde. Aber er hat sich seine neuen Mittelnamen ja nicht aus Jux und Dollerei ausgedacht, sondern um damit im Umfeld der UN-Klimawandel-Konferenz COP27 darauf hinzuweisen, welche hausgemachten Umweltkatastrophen der Menschheit in Zukunft so drohen werden. Auf der Seite arcticrisk.org/name-generator/ kann man sich übrigens selbst einen solchen Namen erstellen lassen.

Was macht eigentlich Helene Fischer?

Ich denke, sie wird aus Klimaschutzpublicitygründen gleich mal den neuen Namen annehmen, den ich für sie vom Generator habe ermitteln lassen: Man wird sie in Zukunft als Helene Unberechenbarer Monsun Fischer kennen.

Die Fragen stellte Christian Seidl.


Anja Rützel ist freie Autorin und schreibt vor allem über Fernsehen und Tiere. Für die Berliner Zeitung am Wochenende beobachtet sie die wunderliche Welt der Promis.