Berlin -Nun also Lambda! Seit mehr als einem Jahr erlebt die Menschheit, wie sich das Coronavirus Sars-CoV-2 fortlaufend verändert und immer neue Varianten auftreten. Diese werden seit einiger Zeit der Einfachheit halber mit griechischen Buchstaben bezeichnet: Alpha, Beta, Gamma, Delta, Epsilon, Zeta, Eta und so weiter. Die Lambda-Variante, vor der japanische Forscher jetzt warnen, ist inzwischen die elfte.
In einer sogenannten Preprint-Studie, die noch nicht von unabhängigen Experten geprüft wurde, fordert das japanische Forscherteam, die Lambda-Variante als besorgniserregende Variante einzustufen. Sie wurde zum ersten Mal im August 2020 in Peru nachgewiesen, breitete sich über Süd- und Nordamerika aus. In Chile soll sie sich schon in 38 Prozent aller sequenzierten Proben finden. In den USA sind es 28 Prozent.
Inzwischen ist sie auch nach Europa gekommen. Dem letzten Bericht zu Virusvarianten des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 14. Juli zufolge liegt in Deutschland der Anteil der Lambda-Variante an der Gesamtstichprobe bei 0,2 Prozent. Es handelt sich um Einzelfälle. Könnte Lambda dennoch eine neue Bedrohung werden – auch für uns?
Mutationen erhöhen Ansteckungsgefahr
Wie bei den bisherigen Varianten – etwa der „britischen“ Variante Alpha oder der „indischen“ Variante Delta – geht es um die Frage: Ist das Virus noch ansteckender als seine Vorgänger und könnte es auch den Impfschutz unterlaufen? Das japanische Forscherteam hat bei Laboruntersuchungen im sogenannten Spike-Protein der Lambda-Variante zwei Mutationen gefunden, die dazu führen könnten, dass Menschen sich leichter anstecken. Drei Mutationen wiederum tragen möglicherweise dazu bei, dass Lambda den Immunschutz – durch Krankheit oder Impfung – teilweise umgehen könnte. Das könnte auch heißen, dass Impfungen weniger gut wirken.
Als Hintergrund muss man wissen, dass Mutationen ständig passieren – über Kopierfehler bei der milliardenfachen Vervielfältigung der Viren in den Körperzellen. Dabei werden einer oder mehrere der etwa 30.000 genetischen Bausteine des Virus ausgetauscht oder verschwinden. Allein bis Mai 2021 wurden in den virologischen Datenbanken mehr als 12.000 Veränderungen im Genom von Sars-CoV-2 dokumentiert. Die meisten haben keine besonderen Auswirkungen auf die Eigenschaften des Virus.
Mitunter aber entstehen Varianten – Forscher sprechen von Linien – mit veränderten Eigenschaften. Sie vermuten unter anderem, dass dies passiert, wenn das Virus in immungeschwächten Patienten lange Zeit hat, sich zu verändern. Auch wachsender Selektionsdruck auf das Virus soll dazu beitragen, dass sich robustere Varianten durchsetzen, die zum Teil der Körperabwehr entgehen.
Elf herausragende Sars-CoV-2-Varianten
Bis zum 13. Juli listete die WHO elf solcher neu entstandenen Varianten von Sars-CoV-2 auf. Vier davon gehören zu den „Variants of Concern“ (VOC), den sogenannten besorgniserregenden Varianten, weil sie nachweislich ansteckender sind und zu schwereren Krankheitsverläufen führen können. Sie heißen Alpha, Beta, Gamma, Delta. Die letztere dominiert seit Ende Juni 2021 die Infektionen in Deutschland.
Sieben weitere Varianten wurden als „Variants of Interest“ (VOI) eingeordnet, also Linien, die wegen möglicher Gefährlichkeit unter Beobachtung stehen. Samt dem Ort ihres ersten Auftretens sind das: Epsilon (USA), Zeta (Brasilien), Eta (Angola), Theta (Philippinen), Iota (USA), Kappa (Indien) und Lambda (Peru).
Lambda könnte „eine potenzielle Bedrohung für die menschliche Gesellschaft“ sein, warnt der Forscher Kei Sato, Leiter der japanischen Studie an der Universität Tokio. Aber es gibt auch Kritik an der Studie. So ließen Laborstudien zur Wirkung von Antikörpern gegen bestimmte Varianten nur bedingt Rückschlüsse auf die Schutzwirkung der Impfung im wahren Leben zu, sagen Forscher.
Delta: So ansteckend wie Windpocken
In der japanischen Studie heißt es, dass sich die Lambda-Variante überwiegend in südamerikanischen Ländern wie Peru, Chile und Argentinien ausbreite. Offenbar hat sie aber bisher nicht dort Fuß fassen können, wo bereits die Delta-Variante verbreitet ist. Denn beide Varianten – und das hebt auch die Studie hervor – zeichnen sich durch ähnliche Eigenschaften aus, vor allem durch eine deutlich höhere Infektiosität gegenüber dem Ursprungsvirus Sars-CoV-2.
Kurz gesagt: Die Delta-Variante breitet sich so effizient in Deutschland und anderen Ländern aus, unter anderem auch in Asien, dass die Lambda-Variante dort wahrscheinlich keine Chance hat. Ja, die Delta-Variante sei sogar so ansteckend wie Windpocken und sie könne den Schutz von Impfungen leichter durchbrechen, heißt es in einer neuen internen Präsentation der US-Gesundheitsbehörde Centers vor Disease Control and Prevention (CDC), über die die Washington Post berichtete.
Damit lässt sich unter anderem der Corona-Ausbruch unter geimpften Personen erklären, der nach dem 4. Juli 2021 in einem Touristenort auf der Halbinsel Cape Cod in Massachusetts, USA, stattfand. In einem Bericht darüber steht, dass 346 der 469 bestätigten Fälle – also 74 Prozent – bereits durchgeimpfte Personen betrafen.
Vollständige Impfung bietet Schutz
Zu solchen sogenannten Durchbruchinfektionen (Breakthrough Infections) kann es aus verschiedenen Gründen kommen, unter anderem, weil der Immunschutz nach einiger Zeit nachlässt und mit dem Alter schwächer wird. Was nicht gegen die Impfungen generell spricht. So hat eine britische Untersuchung mit etwa 100.000 Menschen ergeben, dass vollständig Geimpfte – auch bei der hoch ansteckenden Delta-Variante – ein dreimal geringeres Risiko haben, sich anzustecken, als Ungeimpfte. Und wer sich als vollständig Geimpfter dennoch anstecke, der erkranke meist relativ mild. Beim Ausbruch in Cape Cod mussten nur 1,2 Prozent der betroffenen Geimpften im Krankenhaus behandelt werden. Es habe keinen Todesfall gegeben, heißt es.
Bei Infektionen mit der Delta-Variante bestehe – ebenso wie bei anderen Varianten – „nach vollständiger Impfung ein hoher Schutz gegen Erkrankungen und schwere Verläufe“, schreibt auch das RKI. Allerdings sei bei nur einer Impfung „eine stark verringerte Wirksamkeit gegen die Delta-Variante nachgewiesen“. Hinzu komme, dass ein relevanter Teil der Bevölkerung noch keinerlei Immunschutz gegen das Virus habe. Das Problem für Deutschland – auch mit Blick auf den Herbst und Winter – ist also weiter die Delta-, weniger die Lambda-Variante.
So sieht es auch Carsten Watzl, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Die Daten zeigten, dass Lambda in Laborversuchen etwas ansteckender sei als das ursprüngliche Virus, aber nicht ansteckender als die Delta-Variante, die in Deutschland vorherrscht, so Watzl. Und der Begriff „Immunresistenz“ im Titel der Studie aus Japan sei „bezogen auf die gezeigten Daten schlicht falsch“.
Möglichkeiten des Virus scheinen begrenzt
Wie geht es nun weiter? Wie viele Varianten könnte das Virus noch bieten? Forschern zufolge gibt es zwei Wege für das Virus zu überleben und sich möglichst weit zu verbreiten: Bestimmte Mutationen im sogenannten Spike-Protein auf der Virushülle führen dazu, dass Sars-CoV-2 besser an den Zielrezeptor auf der Zellmembran andocken und in die Zellen eindringen kann (Schlüssel-und-Schloss-Prinzip). Es wird dadurch ansteckender, denn es braucht weniger Viren für eine Infektion. Andere Mutationen können dafür sorgen, dass sich das Virus eine Weile tarnen kann und damit vom Immunsystem nicht so schnell erkannt wird.
Aber die Möglichkeiten für das Virus scheinen begrenzt. Zumal Forscher auch erwarten, dass die Mutationsrate des Coronavirus viel geringer sein wird als die des Grippevirus, wenn die Pandemiephase vorbei ist.
