Guter Impfstoff, schlechter Impfstoff

Aus Angst vor Karl Lauterbach? Warum ich jetzt die fünfte Corona-Impfung bekomme

Unsere Autorin hatte sich 2021 mit dem Sputnik-Impfstoff impfen lassen. In Deutschland galt sie lange als ungeimpft. Ihre Entscheidung bereut sie trotzdem nicht.

Ein Arzt impft unsere Autorin am Mittwochmittag im Impfzentrum Kreuzberg.
Ein Arzt impft unsere Autorin am Mittwochmittag im Impfzentrum Kreuzberg.Liudmila Kotlyarova

„Es können einige Nebenwirkungen auftreten“, sagt mir ein Arzt im Impfzentrum Kreuzberg. Er betankt eine Spritze sorgfältig mit der durchsichtigen Flüssigkeit. „Seien Sie also vorbereitet und machen Sie vorerst keinen Sport.“

Seine Worte begeistern mich nur wenig. Dann denke ich mir: Ich gehöre offenbar zu den wenigen in Berlin, die die Impfung schon zum fünften Mal durchmachen, die Corona-Impfung. Karl Lauterbach sollte auf mich stolz sein. „Spritzen Sie bitte“, sage ich nervös.

Gleich nach dem Piks beginnt es irgendwo in der Brust leicht zu stechen, aber ich gebe mich brav. Ich werde offenbar wieder die ganze Nacht unter starkem Muskelkater leiden, aber als Russin bin ich ja schon leidgeprüft. Ich könnte damit sogar prahlen: „Leute, ich bin jetzt fünf Mal gegen Corona geimpft, obwohl Lauterbach bisher nur zwei Booster empfiehlt, oder technisch gesehen vier Impfungen.“ Rein quantitativ gesehen wären es nur drei, denn eine Boosterdosis beträgt ja nur die Hälfte der normalen Dosis.

Ich mag es, die Menschen raten zu lassen, warum ich so impfenthusiastisch bin. Ob ich zu einer Risikogruppe gehöre? Ob ich Angst vor Lauterbach habe? Vor dem Lauterbach, der dann im Herbst wiederkommt, auf die hohen Infiziertenzahlen verweist und sagt: „Jetzt gilt 2G?“

2G-Aussichten brachten mich zur Spritze

Die Wahrheit ist komisch und ein bisschen russisch. Ja, ich habe noch im Frühling 2021, noch lange vor dem Ukraine-Krieg und bevor ich beim Biontech-Impfstoff an der Reihe war, das Angebot der Russischen Botschaft in Berlin angenommen und mich mit Sputnik impfen lassen: im April und dann noch im Mai.

Es war wie ein Witz: mich mit einem Vektor-Impfstoff impfen zu lassen, der wegen seiner unsauberen Zulassung in Russland in die Schlagzeilen geriet. Trotzdem hoffte ich, dass der Impfstoff im Sommer noch in Deutschland zugelassen werden würde. So dumm von mir! Das passierte natürlich nicht.

Schon am 11. Oktober wurden die kostenlosen Schnelltests abgeschafft, und die 2G-Aussichten bedeuteten für mich: kein Zugang zum Fitnessstudio, keine Cafés mehr,  stattdessen komplette Isolation, weil ich in Deutschland trotz vieler Antikörper als ungeimpft galt. Und während in Österreich neben dem PCR-Test auch ein Antikörpertest akzeptiert wurde, hatten letztere in Deutschland keine Macht im Papierreich des Staates.

Schluss damit, ich brauche eine neue Grundimmunisierung!

Ich erinnere mich noch an meine impfende Ärztin in einer Praxis in Berlin-Steglitz, die sich Mitte Oktober, kaum fünf Monate nach meiner zweiten Sputnik-Impfung, über meine Ausweglosigkeit empörte und mir abriet, mich so früh wieder impfen zu lassen: „Warten Sie lieber sechs Monate ab. Die Vorsicht ist wichtiger als persönliche Freiheiten.“ Darauf erzählte ich ihr, wie eine Passantin in Berlin, eine ältere Dame, mich vor einigen Tagen anpöbelte, weil ich mich für einen Schnelltest auf der Straße anstellte. „Lass dich impfen, junge Dame, dann ist das Problem erledigt“, rief sie mir grob zu. Die Entscheidung habe ich sofort gefällt: Schluss damit, ich brauche jetzt eine neue Grundimmunisierung.

An diesem Mittwoch habe ich mir also meinen ersten Booster mit Biontech/Pfizer gegönnt, wenn ich nicht die zwei Sputnik-Impfungen dazuzähle. Ich mache es nur, damit mein Impfpass Anfang August nicht abläuft, denn er wird im Herbst ja gebraucht. Oder? Das Spannende daran: Während viele Kollegen und sogar Außenministerin Annalena Baerbock sich trotz aller Booster-Impfungen kürzlich infizierten, hatte ich Gott sei Dank noch nie Corona. Zumindest nicht, dass ich wüsste.

Ob ich diese glückliche Tatsache meiner damaligen Dummheit mit der Sputnik-Impfung zu verdanken habe? Auf jeden Fall bereue ich nichts.