Warum bloß, das hatte man sich schon bei der Ankündigung dieses neuen Films von Costa-Gavras gefragt, dieses Stück zu dieser Zeit? Warum, fast vierzig Jahre nach dessen Uraufführung auf dem Theater, eine Verfilmung von Rolf Hochhuths "Der Stellvertreter", dieses Schlüsseltextes der deutschen Nachkriegsgeschichte und der Auseinandersetzung mit der verdrängten Schuld? Welche Bilder kann ein Filmregisseur heute in diesem Text finden, die wir noch nicht gesehen haben? Wie kann er noch einmal die Wirkung wiederholen, die Hochhuths Text in seiner Epoche besessen hat und in der - bei aller Kritik am Klassizismus des Theaterkonzepts - bis heute seine unbestreitbare Bedeutung liegt?Die Antwort ist so schlicht wie bedrückend: Costa-Gavras hat nichts gesucht, und er hat nichts gefunden. Abgesehen vom groben Gang der Geschichte und der Konstellation der Figuren, waren ihm Hochhuts Theaterstück und dessen Bedeutung offenbar herzlich egal. Wie die Vorlage handelt auch der Film von den vergeblichen Versuchen des SS-Mannes Kurt Gerstein, die katholische Kirche - namentlich Papst Pius XII. - zum offenen Widerstand gegen die Massenvernichtung der Nationalsozialisten zu bewegen. Aber wo Hochhuth daraus politisches Aufklärungstheater mit tiefen Zweifeln an der Aufklärung selber geschaffen hat, behandelt Costa-Gavras den Stoff ganz reflexionslos als Story: Unablässig hetzt sein Gerstein (Ulrich Tukur) von Instanz zu Instanz, während immer mehr volle Güterzüge nach Osten fahren. Wo Hochhuth seine Geschichte auf wenige, gleichsam überhöhte Szenen verdichtet, kennt Costa-Gavras als Rhythmus bloß die Parallelmontage des Action-Films: Gerstein rennt, Züge fahren. Kann sein, dass dies ein Einfühlungsfilm mit psychologisch anrührenden Charakteren werden sollte. Aber das Hochhuth sche Ensemble der typenhaft in sich ruhenden, in ihrer Konfrontation von vornherein festgezurrten Figuren taugt dazu so wenig wie Costa-Gavras Besetzung, die dem "flachen" Stoff "Tiefe" verleihen soll. Ulrich Tukur, der sonst immer einen guten Nazi abgibt, hat selten so ausdruckslos gespielt wie als verzweifelter Gerstein, Ulrich Mühe als diabolischer "Doktor" ist wenig mehr als ein Witz. So ist das Gefühl, das sich im Zuschauer regt, nicht Mitgefühl mit den Opfern und ihren erfolglosen Freunden, sondern Empörung: Empörung über die Indifferenz, mit der sich ein Filmregisseur hier über jede Reflexion seiner filmischen Mittel hinwegsetzt, über den Unterschied zwischen Kino und Theater und die Frage danach, worin die Aktualität seines Gegenstands liegt. Dieser "Stellvertreter" ist ein Museumsfilm für das Polit-Engagement: der Sache der Aufklärung, für die er zu streiten vorgibt, mehr als schädlich.Der Stellvertreter 14.2.: Royal Palast, 9.30 Uhr und 23.30 Uhr; International, 20 Uhr