Liebe Leser, bestimmt kennen auch Sie Gerichte, die man in der heimischen Küche vergöttert, aber einfach niemals in einem Restaurant bestellt. Entweder, weil man denkt, dass besagte Speisen andernorts ohnehin nicht dasselbe Level erreichen, wie wenn Ihre Oma oder Ihre Mutter dafür mit einer Extradosis Hingabe am Herd stehen. Oder aber, weil diese Gerichte in Ihrer Wahrnehmung nur als Beilage taugen. Zu diesen Klassikern zählen für mich etwa Kartoffelpuffer, Semmelknödel oder auch Spätzle.
Spätzle im Restaurant bestellen? Gut, nach einem ausgiebigen Almaufstieg mit anschließender Einkehr in einer Berghütte würde ich dann doch zu einer Portion Spätzle tendieren, um den beanspruchten Muskelpartien neue Energie zuzuführen. Aber mitten in Berlin Spätzle im Restaurant bestellen? Das käme mir nicht in den Sinn. Nur gut, dass der Spätzle Club mich vom Gegenteil überzeugen konnte. Hier versteht der Koch, dass seine Spätzle, um nochmal ins Wanderbild zurückzukehren, der Gipfelpunkt jedes angebotenen Gerichts sind und zum deutschen Kulturgut zählen wie die Bratwurst oder die Rinderroulade.
Kochkunst ist hier keine Geheimwissenschaft
Von außen fällt das Ladenlokal am Spittelmarkt überhaupt nicht auf. Auf die Idee, dass hier die wohl leckersten Spätzle der Stadt in Salzwasser vor sich hinsieden, käme man nicht. Der Name auf der Glastür ist nicht wirklich prägnant zu erkennen und auch wenn mit dem Claim „Täglich frische handgemachte Spätzle“ auf dem Schaufenster in verschiedenen Farben geworben wird, läuft man in einer gehetzten Mittagspause (der Imbiss hat zwischen 11 und 16 Uhr geöffnet) eher am Spätzle Club vorbei.
Die spartanische Einrichtung zeigt ebenfalls, dass man sich hier aufs Wesentliche konzentriert und nicht versucht, die Kochkunst als Geheimwissenschaft zu verkaufen. Damit die Spätzle eine glatte und luftige Konsistenz bekommen, werden hier Weizenmehl, Wasser, Eier, Salz und etwas Kurkumapulver verwendet.
Bei unserem Besuch bestellen wir einen Spätzle-Klassiker: eine Portion der Nudelstreifen mit Bergkäse. Während der kurzen Wartezeit fragt eine Kundin die Mitarbeiterin hinter der Theke: „Was ist leckerer? Spätzle mit Geschnetzeltem oder Spätzle mit Bolognese?“ Fast ärgere ich mich ein wenig, dass ich die Spätzle in ihrer puristischsten Form nur mit Käse geordert habe. Möglich gewesen wären auch solch neu interpretierte Eigenkreationen wie Spätzle mit Rucola und Sonnenblumenkernen. Zusätzlich findet man auf der Speisekarte eine Auswahl an Schnitzeln und einigen Reisgerichten.

Die Spätzle sind schön heiß, der Bergkäse zieht feine Fäden auf der Gabel
Als die üppige Portion Spätzle dann aber auf dem Tisch steht, bin ich mit meinen zweifelnden Gedanken schnell versöhnt. Die Spätzle sind schön heiß, der Bergkäse zieht feine Fäden auf der Gabel. Die ansonsten meist obligatorischen Röstzwiebeln fehlen in dieser Kombination, was mich allerdings nicht wirklich stört, da die Spätzle selbst herrliche Röstaromen aufweisen. Die kleine Salatbeilage wirkt als gelungener Kontrast erfrischend zu den deftigen Spätzle.
Für den Preis von 8,20 Euro (alle Spätzlegerichte kosten unter 10 Euro) sind wir pappsatt. Das können nur Beilagen schaffen, die als eigentliches Highlight gekrönt werden. Spätzle, wenn sie handgemacht und frisch sind, sind eines der ehrlichsten Gerichte, die es gibt. Das wussten sicher auch schon Ihre Mutter und Ihre Oma. Nehmen Sie die beiden doch das nächste Mal mit, wenn Sie in den Spätzle Club gehen und bestellen Sie alles, was Sie bereits aus guter Familientradition kennen und schätzen. Ich bin mir sicher, Sie tauschen sich den Großteil Ihres Besuchs über die besten Spätzle Berlins aus.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Spätzle Club, Seydelstraße 2, 10117 Berlin, montags bis freitags 11–16 Uhr, sonnabends und sonntags geschlossen.
