Wurzelgemüse, was für ein schönes deutsches Wort. Und trotzdem geraten diese potenziell schmackhaften Knollen in ihrer Gesamtheit immer mehr in Vergessenheit. Wer kauft heute denn noch einen ganzen Sellerie oder Pastinaken? Rote Bete hatte gerade eine kleine Renaissance. Kenner kaufen auch gleich die Gelbe Bete dazu (eigenartigerweise oft gelbe Rote Bete genannt).
Schnell haben Supermärkte darauf reagiert, und man kann nun schon eine ganze Weile gegarte Rote Bete, unglücklich eingeschweißt in Plastik, kaufen und sich zuhause damit allerlei Rote-Bete-Gerichte machen. Finden wir gut, weil es convenient ist, nur das Plastik nervt. Die besten Produkte kommen übrigens meist aus Frankreich. Also anstrengen, liebe deutsche Produzenten.

Aber zurück zu unseren frischen Knollen. In welchem Supermarkt bekommt man heute Haferwurzeln, Schwarzwurzeln, Topinambur, Ringelbeete oder Steckrüben (letztere wurden ja Grundnahrungsmittel im Winter 1918)? In ein paar wenigen gibt es das noch, in den Biomarkt-Ketten und einigen Märkten Berlins. Auch die Biokisten direkt vom Erzeuger habe die Wurzeln oft im Angebot. Zugang gibt es also, aber wirklich angekommen ist Wurzelgemüse nicht in der breiten Masse.

Brühwürfel und Risotto ohne Wurzelgemüse? Undenkbar!
Und das ist schade. Wer sich selber eine richtige Gemüsebrühe kochen möchte, schafft das kaum ohne Wurzelgemüse. Oder Brühwürfel selber machen: ohne Wurzelgemüse kaum möglich. Macht man beispielsweise ein Risotto, spielt dort eine gute Brühe eine wesentliche Rolle. Und nur bei Selbstgemachtem weiß man auch wirklich, was drin steckt. Das Problem liegt also mehr darin, dass der moderne Städter sich keine Zeit mehr zum Kochen nimmt.
Die Pandemie hat das ein wenig verändert, aber wie nachhaltig ist dieser Trend? Für diejenigen, die dabei bleiben, und für die, die immer frisch kochen, kommen später noch zwei einfache Ofengerichte. Da muss man nicht viel tun, nur etwas Geduld haben. Die beiden Gerichte schmecken unvergleichlich gut, auch wenn das Ganze etwas bäuerlich anmutet. Aber hey, sehnen wir uns im Großstadtdschungel nicht alle nach ein bisschen langsamer Bäuerlichkeit?
Und wer all die Vitamine nicht im Ofen zerstören möchte, der kann sich einen schönen Rohkostsalat aus Wurzelgemüse machen. Mit einer guten Soße, etwas Nuss und Frucht hat man schnell etwas, das jedem Waldorfsalat das Wasser reichen kann. Früher, also im Mittelalter vor 800 Jahren, glaubte man ja, Wurzeln seien giftig, sie wuchsen ja schließlich in den Boden, gen Hölle also. Teilweise sagte man ihnen nach, tödlich zu sein. Wer sie verzehrt, landet bei Luzifer! Grausam, was den armen Rübchen so alles nachgesagt wurde. Das wollen wir jetzt mal ändern.

Kartoffeln auf dem Grab des Alten Fritz
Noch eine kleine Geschichte: Als die Kartoffel nach Europa kam, wusste man wenig mit ihr anzufangen. Die Bauern aßen die Blätter und Blüten, welche tatsächlich giftig sind. Für die Knollen interessierte man sich aus den oben genannten Gründen wenig. Und nur wenige Menschen erkannten das Potenzial. Einer schon: Der Preußenkönig Friedrich II. (der Große), welcher bekannterweise Kartoffelfelder von seinen Soldaten bewachen ließ. Ein schöner Trick, um die Knollen wertvoll wirken zu lassen. Wir danken es ihm heute noch mit Kartoffeln auf seinem Grabstein in Potsdam.
Aber wir weichen vom Thema ab, denn Kartoffeln sind im botanischen Sinne keine Wurzeln. Kartoffeln sind Knollen, also der unterirdische Spross beziehungsweise das vegetative Vermehrungsorgan der Pflanze. Ufff, ganz schön wissenschaftlich auf einmal. Also genug davon und zurück zu unseren Höllen-Wurzeln. Und das schafft eine gute Überleitung, denn höllisch heiß sollte der Ofen sein für die beiden Rezepte, die nun folgen.
Auf einer Reise durch das französische Baskenland bis rauf nach Bordeaux genossen wir fantastische Speisen – allen Reisenden, immer vier Personen und alles erfahrene Gourmets, ist Ofengemüse in Erinnerung geblieben. Wie das gemacht wurde, haben wir in Erfahrung gebracht, und wir teilen es mit Ihnen. Und zusätzlich gibt es noch eine weniger deftige Variante, denn das französische Wurzelgemüse hat es in sich. Die Zutaten können Sie wahlweise variieren. Ich liebe zum Beispiel dieses Gericht mit Gelber Bete. Also, ab die Lucy:

Rezept: Wurzelgemüse aus dem Ofen auf Französisch
Zutaten (für 4 Personen): 1 kleiner Knollensellerie, 4 Karotten, 4 Pastinaken, 1 Steckrübe, 1 Stange Lauch (Obacht, keine Wurzel!), 3 Schalotten, 3 Zehen Knoblauch, 150ml Brühe, 100ml Weißwein (oder Madeira oder Süßwein), 150g Butter, 200g Speck, 5 Zweige frischer Thymian, Salz und Pfeffer.
Zubereitung: Das Gemüse waschen und schälen wir. Aus all den sauberen Schalen und Abschnitten kann man eine hübsche Brühe kochen. Sogar die Schalen der Schalotten können dazu benutzt werden. Wir haben den Planeten schließlich nur einmal!
Das fertige Gemüse schneiden wir in 3 bis 4 Zentimeter große Würfel. Außer dem Sellerie bitte nichts schälen! Die Schalotten halbieren wir nur der Länge nach, den Lauch schneiden wir in 3 Zentimeter dicke Ringe oder Stücke. Die Knoblauchzehen werden einfach halbiert. Der Speck wird in 1 Zentimeter dicke Stücke geschnitten. Dann geben wir alles in einen Bräter, gießen den Wein und die Brühe an (am besten bereits heiß) und würzen gut mit Salz (Vorsicht, der Speck!) und Pfeffer. Deckel drauf und ab in den vorgeheizten Ofen, bei 200 Grad für gut 45 Minuten. Nun können Sie erstmal ein Buch lesen oder Ihre Eltern und Freunde anrufen.
Nach gut 45 Minuten kommt der Deckel ab und wir lassen etwas Dampf aus dem Ofen. Dann voll aufdrehen und das Gemüse nochmal 20 bis 25 Minute ordentlich rösten, es darf schon leicht verbrannte Spitzen haben. Das schmeckt. Et voila!

Rezept: Wurzelgemüse aus dem Ofen mal anders
Zutaten (für 4 Personen): je 2 Rote und Gelbe Bete, 2 Karotten, 2 Petersilienwurzeln, 3 Topinambure, 1 große Süßkartoffel (wer das nicht mag, nimmt Kartoffeln), 200ml Gemüsebrühe, 2 Knoblauchzehen, 1 Stück Ingwer (daumengroß), Salz, Pfefferkörner und Koriandersaat, Pflanzenöl.
Zubereitung: Wie oben beschrieben, waschen, schälen und würfeln wir alles ordentlich. Doch dieses Mal marinieren wir alles, bevor es in den vorgeheizten Ofen kommt. Dafür benutzen wir eine feine Küchenreibe, unsere beliebte Microplane zum Beispiel, und machen aus dem Knoblauch und dem Ingwer eine Paste. Pfefferkörner und Koriandersaat rösten wir in einer Pfanne kurz an und mörsern sie dann. Wenn Sie keinen Mörser haben, nehmen Sie ein Küchentuch und einen Topf.
Wir mischen dann die Gewürze mit der Paste und dem Öl und marinieren das Gemüse damit ordentlich. Dabei Salz nicht vergessen. In einem Bräter haben wir dann die heiße Brühe und geben das Gemüse dazu. Dann ab in den Ofen. Bei 180 Grad braucht das Gemüse gut eine Stunde.
Das ist teuer, wegen der Strompreise, aber denken Sie daran, es ist relativ günstiges Gemüse. Und wer gleich reichlich davon macht, kann es am Folgetag noch genießen, denn es hält sich problemlos vier bis fünf Tage im Kühlschrank. Ich esse es oft kalt mit etwas Ziegenkäse oder einfach mit ein paar Kürbiskernen zu einem frischen Salat.

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