DDR

Ex-Redakteur forschte über die Stasi und US-Sender: 451 Briefe an den Rias kamen nie an

Der West-Berliner Rias, das Radio im amerikanischen Sektor, hat der DDR-Führung offenbar größere "Aufklärungsprobleme" bereitet als bislang angenommen. Bei seinen langjährigen Recherchen fand der ehemalige Rias-Literaturredakteur Hans-Georg Soldat allein in einem Aktenordner der Gauck-Behörde 451 Seiten Originalbriefe, die von der Stasi abgefangen worden waren. Die Zahl war bislang unbekannt. "Die direkte Einwirkung der Stasi auf den Rias ist jedoch sehr schwer nachzuvollziehen", sagt Soldat. Denn auf Beschluß des Runden Tisches wurden sind die meisten Akten der Hauptabteilung Aufklärung, der von Markus Wolf geleiteten Auslandsspionage, vernichtet aus Gründen des Personenschutzes. Zunächst diffamierte die DDR den US-Sender ("eine freie Stimme der freien Welt") als "Schule für Staatsverbrecher", versuchte eine Rias-Mitarbeiterin in den Ost-Sektor zu entführen und erpreßte während der prüden Adenauer-Zeit einen bisexuellen Rias-Ressortleiter zur Stasi-Mitarbeit. Im Zeichen der Entspannungspolitik verlegte sich die Stasi auf die Beobachtung, ohne daß größere Aktionen gegen den Sender umgesetzt werden konnten: An der Stasi-Hochschule schrieb jemand eine Doktorarbeit über den Rias; die Ausweitung des populären Rias-Jugendprogramms wurde kritisch notiert. Irritiert reagierte die Stasi, als immer mehr DDR-Literaten, wie Ulrich Plenzdorf, in Rias-Sendungen zu Wort kamen. Ein konspirativ vereinbartes Telefoninterview mit dem DDR-Schriftsteller Lutz Rathenow wurde 1986 durch die Stasi mitten im Gespräch unterbrochen. Intern konnten bisher nur zwei ehemalige Rias-Mitarbeiter als Stasi-Mitarbeiter enttarnt werden. Auf diesem Feld ist bisher nicht intensiv geforscht worden, zudem befinden sich viele Geheimdienstakten in Moskau: Auch der sowjetische KGB hatte sich den US-Sender vorgenommen. Offenbar war der Umgang mit dem Rias einer ratlosen Staatssicherheit außenpolitisch zu heikel, so daß die Arbeit den Sowjets überlassen wurde. (mak.)